Michael Wening 1696 - Dachau, Ansicht von Westen
- gelb gefärbt die Altöttinger Kapelle an der Augsburger
Straße
Beschreibung
der Kapelle
An
der Einmündung der Brucker Straße in die Augsburger Straße
stand in Dachau rd. 120 Jahre lang, von 1679/1684 bis 1803, eine
der Altöttinger Muttergottes gewidmete Kapelle. Sie wurde in
zeitgenössischen Quellen als "Capell U.L.Frauen von Alten
Oeting ausser des Markts vor dem Weblinger Thor" bezeichnet.
Sie lag an der Stelle des heutigen Hauses Brucker Str.2. 01)
Errichtung der Kapelle
Erbaut wurde die Kapelle in mehreren Schritten.
In der Zeit um 1679 hatte die Frau des Landrichters von Dachau,
Maria Susanna Stainheil, zusammen mit einigen Dachauer Frauen zur
Abwendung der im Lande grassierenden Pest an der Landstraße
nach Augsburg ein kleines Oratorium zu Ehren der Altöttinger
Muttergottes sowie der Pestheiligen Sebastian und Rochus errichten
lassen.
Dieses Oratorium seiner Frau baute der Landrichter Stainheil (1664-1712)
zu einer Kapelle aus. Der Kapellenbau wurde funktionell 1684 vollendet,
doch die finanzielle Absicherung durch ein Stiftungskapital und
eine Stiftungsverwaltung unterblieb. Diese Aufgaben musste die Pfarrei
St.Jakob übernehmen. In der Praxis waren dies die Kirchpröpste
(heute Kirchenverwalter), die damals vom Magistrat des Marktes
gewählt worden sind. Die Übernahme der Verwaltung durch
die Pfarrei war auch deshalb nötig, weil der Landrichter wegen
eines gerichtlichen Streits mit dem Magistrat die Lust am Kapellenbau
verlor und die Pfarrei sogar einen Teil der Baukosten übernehmen
musste. 02)
Einweihung
02)
Landrichter
Stainheil setzte sich immerhin am 10.Aug.1686 beim Freisinger Fürstbischof
Joseph Klemens Herzog von Bayern (1685-1694) dafür ein, dass
die Kapelle konsekriert, d.h. geweiht werde. Seinen Antrag begründete
er mit dem schlagenden Argument, dass bis dahin schon über
100 Gulden an Opferstockspenden eingegangen seien.
wörtlich:
"..da ein so häuffiger Zugang und allgemeine andacht immer
zue sich bezaiget, ds in wehrenter Zeit
yber
100 fl. Gottsberaith erhöbt worden ... und im fahl (dass) daselbsten
derffe celebrirt werden, ein noch
mehrere
Andacht und eyfer zu hoffen sein werde". 03)
Schon am 10.Okt.1686 bewilligte der Fürstbischof, dass in der
Kapelle wöchentlich zweimal an einem Werktag eine hl.Messe
gelesen werden könne (dies unterblieb später aber wegen
fehlender Messstiftungen). Daneben umfasste die Erlaubnis eine figurierte
Litanei am Fest Mariä Geburt (8.9.) und ein figuriertes Amt
mit Predigt am Kirchweihfest, das auf den 3.Sonntag nach Jakobi
(3.So nach dem 25.Juli) fiel. 04)
Doch hl.Messen durften erst nach der Einweihung der
Kapelle gehalten werden. In den drei Jahren bis zur Weihe konnten
deshalb an den Festtagen nur Litaneien gebetet werden.
1689 wurde die Kapelle durch den Freisinger Weihbischof Simon
Thaddäus Schmidt eingeweiht. Es muss ein großes Fest gewesen
sein, denn die Kosten beliefen sich auf rd. 200 fl. an. Darin enthalten
ist ein "Faßl Vorgerner Wein per 40 Maß" für
den Weihbischof.
Zum Fest hatte man die Kapelle "allenthalben außgeweißt
und den Altar zum Weichen nottürftig zuegericht".
Kapellenbau
02)
Wie
die Kapelle später ausgesehen hat, ist auf einem Stich
von Michael Wening zu sehen, den der Kartograph im Herbst
1696 bei seinem Dachau-Besuch skizzierte. Interessant ist,
dass die Kapelle auf dem Stich bereits mit der Kuppel dargestellt
ist, die erst später aufgesetzt wurde. Wening kannte
die Pläne und hat sie -wie auch in vielen anderen Fällen-
bei seiner Zeichnung vorweggenommen, damit der Stich noch
lange aktuell bleibt. Die Kuppel mit aufgesetzter Laterne
wurde erst im Jahr 1702 errichtet, als genügend (Opfer-)geld
zusammengekommen war. Das war die Arbeit von Zimmermeister
Caspar Stadlberger. In der Kirchenrechnung sind für die
Holzarbeiten und die Deckung mit 600 grün angemalten
Scharschindeln nur 20 fl. angesetzt. Das wird nur der Lohnkostenanteil
gewesen sein; das Material wurde wahrscheinlich gestiftet.
Der Dachstuhl der Kapelle hielt bis 1753. Dann erstellte Zimmermeister
Johann Wildgruber einen neuen Dachstuhl mit Schindeldeckung.
Die Laterne auf dem Dach wurde 1791 repariert. Schon seit
1717 waren die Kapellenmauern außen gelb gestrichen.
Sakristei
Auf dem Bild rechts neben der Kapelle ist die Sakristei zu
sehen, die beim Besuch Wenings auch tatsächlich schon
vorhanden war, weil sie bereits 1691 vom Maurer-meister Benedikt
Götschl und Zimmermeister Caspar Stadlberger gebaut worden
war.01)
Glasermeister Balthasar Älbl,
der Vater des bekannteren Georg Älbl, fasste im Jahr
1692 "2 Rundeln mit 64 lichten Scheiben zum Preis von
á 4 kr." Im selben Jahr fertigte der Kunstschreiner
Martin
Prugger (1640-1712) einen Kasten (Schrank) zur Aufbewahrung
der Messgewänder.
Doch der Sakristeibau stand wohl auf keinem guten Fundament.
Er stürzte schon nach 12 Jahren, also 1703, ein. Maurermeister
Benedikt Götschl musste sie, die "so eingefaleln
gewest", nun nochmals aufbauen. 02)
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Die Altöttinger Kapelle auf einem Stich von M.Wening
rechts die Sakristei
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Das
Innere der Kapelle
02)
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Stuck |
Der
bis 1706 völlig schmucklose Kapellenraum wurde von Stuckateur
Benedikt
Heiß (ca.1670-1726)
mit "Stuckateurarbeit" geschmückt. Die Arbeit
des Meisters und seines Lehrbuben dauerte 12 Wochen.
Eine weitere Stuckierung durch den Haimhauser Stuckateur Georg
Haimerl ist aus dem Jahr 1712 bekannt. |
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Gründungs-
Stein |
Über
der Eingangstür war ein Stein mit der eingravierten und
teilweise vergoldeten Gründungs- oder Weiheinschrift eingemauert.
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Opferstock |
Im
Inneren der Kapelle war jedenfalls schon bald nach der Fertigstellung
auch ein Opferstock aufgestellt worden, dessen Einnahmen (Opferstockgefälle)
zu den Kosten des weiteren Ausbaus und des Betriebs beitrugen.
In den ersten 50 Jahren beliefen sie sich auf durchschnittlich
40 fl. jährlich. Danach gingen sie zurück, bis sie
ab 1770 (im Zeitalter der Aufklärung) nur noch 8 bis 5
fl. jährlich betrugen.
Der Dachauer Schlossermeister Georg Spizer überzog im Jahr
1700 den Opferstock mit neuem Blech, weil der Stock in der damals
noch abseits des Marktes gelegenen Kapelle zum Raub einlud.
Er fertigte auch fünf Scheinknöpfe "samt den
Puggen inwendtig des Stockhs zu Versicherung des Geldts"
an. Dennoch wurde der Opferstock 1704 (im Spanischen Erbfolgekrieg)
und nochmals 1742 (im Österreichischen Erbfolgekrieg) von
den Soldaten Österreichs aufgebrochen und "völlig
zerschlagen". |
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Fresken |
1710
hat der Maler
Benedikt
Pfeil
(*1670; nach 1730)
aus Lauterbach die Kapelle "allenthalben ausgeziert",
d.h. mit Fresken versehen. Weitere Fresken ("4 Sinnbildnisse
oder Emplematen") wurden im selben Jahr vom Maler
Joh.Georg Hörmann
(1672-1749)
angebracht |
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Apostel-leuchter |
An
den Wänden der Kapelle waren die zwölf Apostelleuchter
befestigt, die Elisabeth Hörmann, die Witwe des kurz vorher
verstorbenen Malers Johann Hörmann und Mutter seines Sohnes
Joh.Georg Hörmann noch 1691 geliefert hatte. |
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Altar |
Der
Altar war "ganz neu auf Steinart" marmoriert. Auch
dies hatte der Dachauer Maler Joh.Georg Hörmann 1712 vorgenommen.
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Auf
dem Altar standen "Zwei von Erdten gebrante dahin gehörige
May Khrügl (= künstliche Blumen), die
1699 vom erwähnten Dachauer Maler Johann Georg Hörmann
gefasst worden waren. |
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Auf
dem Altar standen Figuren der Pestheiligen Sebastian
und Rochus. Auch sie wurden 1712 von Joh.Georg Hörmann
renoviert. |
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1692
wurde der alte Altar umgebaut. Die Veränderungen waren
notwendig, weil dort ein vom Kistler Martin Prugger erstellter
Schrein aus Eichenholz mit der Muttergottesfigur
(hier Tabernakel genannt) aufgestellt wurde. 18
Jahre später, 1710, hat der Dachauer Maler Joh.Georg Hörmann
diesen Tabernakel "metallisiert". |
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Reparaturen |
Die
auf dem Altar brennenden Kerzen ließen den Kapellenraum
immer wieder verrußen, sodass man ihn in regelmäßigen
Abständen (von etwa zwei Jahren) ausweißen
musste. |
Altöttinger Muttergottesfigur
in der Kapelle
Auf dem Altar stand in dem 1692 angefertigten Schrein eine Muttergottesfigur,
eine Nachbildung des Altöttinger Vorbildes aus der Zeit um
1680. Die Kronen der Muttergottes und des Jesuskindes sowie das
Zepter waren spätere Hinzufügungen; auch die Fassung ist
nicht mehr original. 02
Wer die Figur geschnitzt hat ist nicht sicher überliefert.
Dr.Hanke vertritt in seinem Aufsatz "Die Altöttinger
Kapelle in Dachau" 02)
die Auffassung, dass sie wahrscheinlich von
Adam Luidl (um 1656-1681) stammt, dem Sohn des Meringer Bildhauers
Michael Luidl und dem Bruder des bekannten Landsberger Bildhauers
Lorenz Luidl. Adam besaß in Dachau das Haus Nr.66 (heute
Nr.15) in der Wieningerstraße und hatte 1677 das Dachauer
Bürgerrecht erworben. Leider starb er schon im Alter von 25
Jahren. Von ihm stammen im Landkreis auch eine Franziskusfigur in
Feldgeding (1673), die Skulpturengruppe auf dem Taufstein in St.Jakob
(1675) und Dachungsengel in Prittlbach (1673).
Mehr zu Adam Luidl siehe hier...
Für die Annahme, dass Adam Luidl der Schöpfer der
Figur war, spricht nach Dr.Hanke auch der Umstand, dass die Bildhauer
in den bayerischen Landstädten und Märkten ein weitgehendes
zunftmäßiges Monopol auf Aufträge hatten, dass also
möglichst einheimische Künstler beschäftigt werden
mussten.
Die Marienfigur wurde zu den verschiedenen Kirchenfesten bekleidet.
Einem im Dachauer Stadtarchiv verwahrten Inventar-verzeichnis ist
zu entnehmen, dass dafür vier Kleider mit Gold-und Silberstickereien,
drei Seidenmäntel mit Spitzen und ein "Halsgehänge"
mit 13 großen und kleinen Münzen vorhanden waren. 02)
Nach
der Profanierung der Kapelle hat man die Marienfigur in die Gottesackerkapelle
auf dem neuen Friedhof gebracht.
Vollkommener
Ablass 1704 02)
1704, kurz vor den Ereignissen des Spanischen Erbfolgekriegs, konnten
sich die Teilnehmer des Lob-Amts anlässlich des Kirchweihfestes
über ein besonderes Gnadenzeichen freuen. Sie erhielten für
das Beten eines Rosenkranzes und von fünf Vaterunser einen
vollkommenen Ablass. Der war von Rom für den Kirchweihtag der
Altöttinger Kapelle in den nächsten 7 Jahren (1704 bis
1711) erteilt worden. Dies zog eine große Menschenmenge aus
nah und fern zur Kapelle. Die Feierlichkeiten mussten deshalb im
Freien stattfinden. Da in diesen Zeiten die Festpredigten besonders
hoch im Kurs standen, baute man alljährlich für diesen
Tag eine Kanzel mit Stiege und Vorhängen im Freien auf. Aus
der Kirche von Mitterndorf wurden zwei Beichtstühle herbei
gebracht. Der Festplatz wurde besonders geschmückt. So geht
aus der Kirchenrechnung hervor, dass der Zeugmacher Joseph Michl
im Jahr 1713 "bei Unserer Lieben Frauen Capelle uf den Ablaß
aine Pforten von Täx Stauden gebunden".
Der 7 Jahre geltende Ablass für die Altöttinger-Kapelle
wurde später (immer wieder) erneuert bis es 1754 dem Münchner
Handelsmann Franz Sterrer gelang, einen zeitlich unbegrenzten vollkommenen
Ablass zu erlangen.
Die
Kapelle war ein beliebter Gebetsraum in der Pfarrei St.Jakob. Hier
wurde vor Ostern ein Heiliges Grab aufgebaut.
Als 1771/72 in Bayern -nach 3 Missernten- eine große Hungersnot
ausbrach, "hielt man nicht nur in St.Jakob vor dem ausgesetzten
Allerheiligsten ein zehnstündiges Gebet, sondern unternahm
auch 19 Kreuzgänge wechselweise in die Altöttinger Kapelle
und in die Gottesackerkapelle im Friedhof, wo sodann jedes Mal ein
Hochamt zelebriert wurde", schrieb Dr.Hanke. 02)
Abriss
der Kapelle 1803
Die Altöttinger-Kapelle fiel bei der Säkularisation unter
die Verordnung vom 17. April 1802. Sie bestimmte daß überzählige
Gotteshäuser abzubrechen und deren Baumaterial für neue Schulhäuser
zweckdienlicher anzulegen seien (Motto: Schulen statt Kirchen; allgemeine
Schulpflicht).
Der damalige Pfarrer von St.Jakob, Josef Stöger berichtete,
dass die Kapelle nach dem 24.8.1803 profaniert (entweiht) und die
Reliquien entfernt wurden. Der Bau wurde aber nicht -wie von der
General-Landesdirektion zunächst angeordnet- demoliert, sondern
in ein Wohnhaus umgebaut; dies hatte eine Abordnung honoriger Dachauer
unter Führung des Bürgermeisters Franz Xaver Wieninger
in München erreicht. Vor dem Umbau mussten aber die Kuppel
abgetragen und ein übliches Dach aufgesetzt werden. Das von
Austragsmaurer Georg Posch erworbene Haus hielt bis 1828. Dann wurde
es abgebrochen und an dieser Stelle das bis in das 21.Jh. bestehende
Gebäude errichtet. 03)
Das Vermögen der Altöttinger-Kapelle wurde aufgeteilt,
zum Teil ging es an die Pfarrkirche St.Jakob, zum anderen Teil an
die Gottesackerkapelle im neuen Friedhof. Ein zaghafter Versuch
einiger Dachauer Bürger, die Reste der Kapelle zurückzukaufen
und das kleine Gotteshaus wieder aufzubauen, war zum Scheitern verurteilt.
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