Pfarrvisitation
in Westerholzhausen
1560
Vorbemerkung:
Die Visitationsberichte enthalten
neben den Feststellungen zu den theologischen Kenntnissen, der Amtsführung
und dem Einkommen der Priester auch Bemerkungen zur Einhaltung des
Zölibats. Dass damals die Pfarrer häufig Lebensgefährtinnen
und Kinder hatten, wird heute teils schockiert, teils belustigt
zur Kenntnis genommen. Doch man sollte für die damalige Zeit
nicht die heutigen Maßstäbe anlegen. Zwar wurde das Zölibat
1139 für die gesamte kath.Kirche erlassen, doch bis
zum 30jährigen Krieg war es jedenfalls bei uns üblich,
dass die Pfarrer mit einer Frau zusammenlebten und Kinder hatten.
Dies wurde vom Volk anerkannt und vom Bischof (der selbst Konkubinen
hatte) toleriert. Erst durch die Reformation, die den evang.Priestern
das Heiraten erlaubte, änderte sich die Einstellung.
Zudem war die Rechtslage vor 1563 so, dass der Pfarrer und seine
Köchin miteinander eine "heimliche Ehe" schließen
konnten, die kirchenrechtlich gültig war. Denn die Ehe ist
ein Sakrament, das sich die Ehepartner selbst spenden. Damit war
das Zusammenleben vor Gott gerechtfertigt. Erst das Konzil von Trient
hob in einem Beschluss von 1563 die heimliche Eheschließung
auf und ließ nur noch die vor einem Priester öffentlich
geschlossene Ehe zu.
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Visitationsbericht von 1560 im Diözesanarchiv München
Die linke Hälfte der Seiten wurde für Hinweise
(z.B. von Vorgesetzten) frei gelassen
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Möglicherweise trug auch die
radikale Klimaverschlechterung um 1560 dazu bei, die Unmoral der Pfarrer
stärker zu verfolgen. Denn man glaubte, dass sie eine Strafe des
beleidigten Gottes für das Übermaß an Sündhaftigkeit
auf Erden sei. Als Hauptsünden wurden Hexerei, Blasphemie, sexuelle
Ausschweifungen und eben auch das Priesterkonkubinat ausgemacht. Katastrophen
aller Art wurden als Folge menschlicher Verfehlungen betrachtet. Wolfgang
Behringer spricht von Sündenökonomie, weil damals versucht wurde,
"die Strafen Gottes für die Sünden der Menschen in rechnerische
Kalkulationen zu transformieren". Die katholischen wie evangelischen
Theologen gingen von einem kollektiven Menschheits-Sündenkonto aus,
d.h., dass Gott eine bestimmte Menge von Sünden tolerierte.
Wurde das Konto aber überzogen, folgte die Strafe Gottes und sie
traf nicht nur das Individuum, sondern die ganze Gesellschaft. Deshalb
ging man in der 2.Hälfte des 16.Jh gegen jegliche Unmoral vor, verbot
die Prostitution, das Fensterln und eben auch das Priesterkonkubinat.
Aber nicht die Bischöfe, sondern die bayerischen Herzöge (Albrecht
V. u. Wilhelm V.) setzten sich für die Einhaltung des Zölibats
ein und sorgten sich um die Erhaltung des rechten Glaubens. Die Visitation
1560 war noch voll der Sorge um den rechten Glauben. Das Zölibat
wurde nur nebenbei überprüft. 25 Jahre später, bei der
nur von den Herzögen durchgeführten Visitation von 1584, wurden
die Priesterfrauen regelrecht gejagt. Nach
dem 1583 vom Papst erlassenen Mandat "Contra Clericos Concubinarios",
waren die Landesherren befugt, nach den "Beischläferinnen"
der Pfarrer zu fahnden und sie aus den Pfarrhäusern zu vertreiben.
Im Visitationsbericht von 1560 werden die Ergebnisse Pfarrüberprüfungen
in drei Teilen dargestellt: nach der Befragung des Pfarrers, nach der
des Kirchenpflegers und nach Augenscheinnahme der Visitatoren. Ich habe
im Folgenden die Ergebnisse nach Themenbereichen zusammengefasst um Wiederholungen
zu vermeiden und Ihnen eine bessere Übersicht zu geben.
Eine Aufstellung über die Größe der Pfarreien im Dachauer Land im Jahr 1560 finden
Sie hier...
Bericht über die
Visitation im Jahr 1560
- in heutigem Deutsch -
[in eckigen Klammern Originaltext-Auszüge]
Biographie des Pfarrers
Im Bericht über die Visitation der Pfarrei Westerholzhausen (Landgericht
Kranzberg), heißt es, Pfarrer sei der von Sulzemoos gebürtige
Georgius Schedl. Er habe in Freising, Ingolstadt und (Fürstenfeld)Pruck
studiert und sei in den Diözesen Freising und Augsburg ordiniert
(= geweiht und als Priester eingesetzt). Vor 20 Jahren habe er
seine Primiz in Odelzhausen gefeiert [Ödltzhausen primiciert].
Schedl konnte seine Formata (= Zulassungsschreiben) und das Dimissorium
(= Entsendungsschreiben) vorlegen. Nach der Priesterweihe war er
vier Jahre in Schwabhausen eingesetzt. Seit 16 Jahren sei er nun Pfarrer
in Westerholzhausen.
Sein Vorgänger hatte sein Amt freiwillig aufgegeben. Es war ihm wohl
alles zuviel geworden, denn Pfarrer Schedl musste die Pfarrei wieder in
Ordnung bringen["Hab gleichwol die pfarr miessen pauen, sey alle
zerfallen gewest"]
Noch katholisch ?
Die Vistatoren haben festgestellt, dass Schedl jeden Feiertag aus katholischen
Büchern predige und nach wie vor die Feier-und Fasttage einhalte.
Jeden Sonntag und einmal während der Woche halte er einen Gottesdienst.
Auch lasse er in der Kirche für die Verstorbenen beten ["Pit
fur die abgestorbnen]. Auf die Fragen nach den Glaubensgrundsätzen
insbesondere zu den sieben Sakramenten und der Reliquienverehrung gab
er gut katholische Antworten ["De aliis catholice respondit"].
Er ermahne, so heißt es weiter, die Gläubigen, zweimal im Jahr
zur Beichte zu gehen; allerdings hielten sich nicht alle daran und beließen
es bei einem Mal. ["Verman das volckh, das sy im jahr zwai mal sollen
peichten, aber etlich peichten nur ain mal"]. Schedl beichtet selbst
auch zweimal im Jahr.
Der Kirchenpfleger, der gesondert vom Pfarrer befragt worden war, bestätigte,
dass der Pfarrer seine Pfarrei nach katholischen Riten und Gebräuchen
führe ["mit raichung der sacramenten, predigen und andern kirchengebreuchen
der allten religion"].
Die
Zahl der Gläubigen in der Pfarrei Westerholzhausen betrage 120 Communicantes
(Gläubige, die zur Kommunion gehen können). Alle seien katholisch
genblieben und jeder fremden Religion unverdächtig ["all catholisch
und aller frembder religion unverdacht"]. Allerdings sind sie mit
Spenden nicht sehr freigebig ["Die underthanen seien hinlessig mit
opfer und zehent"]. Bei Beerdigungen habe ein Bauer einen Gulden
zu zahlen, ein Armer weniger oder gar nichts".
Zölibat
Zum Zölibat ergab die Befragung, dass ihm eine Köchin den Haushalt
führt. Mit der habe er keine Kinder. Allerdings seien aus der Beziehung
mit der früheren Haushälterin, die leider gestorben sei, 3 Kinder
entstanden, die wohl bei ihm aufgewachsen sind.
Der Kirchenpfleger ["khirchpröbst"] gab zu Protokoll, dass
der Herr Pfarrer im betrunkenen Zustand randaliert , sonst einen etwas
leichtfertigen Eindruck macht ["Pfarrer ist im trunckh rumorisch
und sonst leichtfertig"].
Einkünfte
Sein Einkommen betrage 100 Gulden jährlich. Ein Kaplan sei noch nie
vorhanden gewesen. Davon müsse er nur dem Vogt ein Schaff Hafer ["schaf
habern"] geben. Von den Pfarrgütern habe er nichts verkauft
und an der Kirche nichts verändert.
Zur Kirche
ist vermerkt, dass sie ein eigenes Einkommen von 7-8 Gulden habe. Davon
seien dem Pfarrer für die Jahrtagsmessen 3 Pfund zu geben. 4 Pfund
und 30 Kreuzer gehen nach Kranzberg: Der größte Teil an den
Pfleger, jeweils 15 Kreuzer an den Gerichtsschreiber und den Amtmann.
Auch die beiden Kirchenpfleger in Westerholzhausen erhalten jeweils 15
Kreuzer jährlich. Für die Beleuchtung (Kerzen, Wachs) gebe man
4 Gulden aus. Das Vermögen des Gotteshauses betrage 14 Gulden und
24 d.
Kirchenausstattung
Die Kirche besitze einen schlecht verschlossenen Tabernakel, in dem aber
die Hostien und die hl.Öle sauber aufbewahrt würden. Auch ein
Ewig-Licht sei vorhanden. Das Taufwasser befinde sich in einer Flasche.
Vorhanden sei auch ein Taufstein und die nötige andere Einrichtung.
Nur Gemälde fehlten. ["Hat ain sacrament, taufstain und alle
andere khirchentzier", "Sacramentum et liquores pure tractantur.
Sacramentsheusl ist nit wol versorgt, aber zimblich beleucht. Baptismus
in aim fleschl."]. In der Kirche seien 2 vergoldete Kelche mit Corporale
(Altartuch unter dem Kelch), 2 Messbücher, ein Liturgiebuch, zwei
zerrissene Liedbücher und sechs wohl abgenutzte Meßgewänder
vorhanden[6 meßgewandt, nit fasst guet"].
Der Zustand des Gotteshausen und
des Pfarrhofes war wohl nicht zufriedenstellend, denn die Visitatoren
bewerten ihn als reparaturbedürftig empfahlen: "Sollen das gottshauß
pauen, dann es vasst paufellig".
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Quellen:
Anton Landersdorfer, Das Bistum
Freising in der bayerischen Visitation des Jahres 1560, 1986
"Von
der Geheimehe zum Kirchenaustritt", Münchner Kirchenzeitung
vom 7.2.2021
31.10.2015
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