In früheren
Zeiten waren Bittprozessionen und Wallfahrten von großer Bedeutung.
Sie dienten nicht nur als geistliche Übungen, sondern waren
auch Gelegenheit, von daheim wegzukommen, in einer Zeit ohne Urlaubs-
oder Abenteuerreisen.
Folgende
Bittgänge/Kreuzgänge und Wallfahrten der Niederrother
Gläubigen sind bekannt:
am Markustag (25. April) mit dem Kreuz nach dem "äußeren
Indersdorf" (= Marktkirche)
In
der Bittwoche (drei Tage vor Christi Himmelfahrt) selbst ging man
jeweils um 5 Uhr früh!
am Montag nach Sigmertshausen,
am Dienstag nach Weyhern
am Mittwoch nach Schwabhausen
am Kreuzerfindungstag (3.5.) nach Kreuzholzhausen
am Pfingstmontag nach Sigertshofen (Sickertshofen bei Schwabhausen)
am Pfingstdienstag zum Kloster Taxa
am Pfingstmittwoch nach Straßbach
am Pfingstfreitag zum heiligen Benno nach München
an Peter und Paul (29.6.) )nach Oberroth
am St. Magdalena-Tag (22.7.) nach Puchschlagen
an Mariä Geburt (8.9.) nach Weyhern
sowie nach Andechs auf den hl. Berg (seit 1602)
Aus
den wenigen noch vorhandenen Kirchenrechnungs-Unterlagen geht hervor,
dass die Fahnenträger dafür z.B. im Jahr 1730 ein Zehrgeld
von 1 Gulden 48 kr.
erhielten.
Verbot
der Wallfahrten 1801
Mit kurfürstlicher Verordnung vom 4.12.1801 wurden diese Bittgänge/Wallfahrten
wegen "Müßiggang« verboten. Aufgrund dieser Anordnung
entstanden im darauffolgenden Jahre 1802 Unruhen, die das Gepräge
eines Aufruhrs hatten. Die
Pfarrer hielten sich an das Verbot und setzten die Kreuzgänge
ab. Das erzürnte so manche begeisterte Wallfahrer so, dass
sie die Pfarrer fast mißhan-delten und mit Grobheiten überhäuften.
Pfarrer Hueter (1786-1814) beschrieb in seiner Pfarrei-Chronik auf
den Seiten 180-183 mehrere Vorfälle:
- Manche Gemeinden
bemächtigten sich der Kirchenschlüssel, nahmen die Fahnen
mit Gewalt aus den Kirchen, und unter dem Geläute der Glocken
verrichteten sie ohne Priester ihre Kreuzgänge. Dies tat die
Pfarrgemeinde von Pellheim am sogenannten Schauerfreitage. Man hörte
sie schon von weitem plärren. Während ich (Pfr. Hueter)
die Messe las, zogen sie hier durch nach Weyhern, wo sie die Kirche
gesperrt fanden, und also mit der langen Nase abziehen mußten.
- Am nämlichen
Tage gingen auch die Sigmertshauser abends mit dem Kreuz um die
Felder und hatten bei ihrem vermeinten Gebete ein solches Geschrei,
daß ich es in meinem Zimmer hörte...
Die widerspenstigen
Gemeinden bekamen, sobald ihr Vergehen am rechten Orte kundbar wurde,
auf der Stelle eine Exekution von einigen Soldaten, welches aber
noch keinen Eindruck machte, bis endlich ganze Kompanien auf Exeklution
ausgeschickt wurden, wie dieses in unserer Nachbarschaft Niederroth
nur gar zu empfindlich erfahren hatte.
- Die Oberrother
verrichteten den 20. Mai 1802 ungeachtet aller Vorstellungen ihres
Pfarrers, den Kreuzgang um die Felder, wie sie ihn vormals gewöhnlich
verrichtet hatten. Bald nachher rückten bei der Nacht um 12
Uhr 300 Soldaten auf Exekution im Dorfe ein. Nebst der Kost und
dem Trunk mußten sie jeden Mann 1 Gulden geben, welches ihnen
Kosten von mehr als 400 Gulden verursachte. Da dieses Unglück
mehrere Ortschaften getroffen hatte, so nahmen dergleichen Unfüge
auf einmal ein Ende....
Ich schreibe
es hier zum ewigen Ruhme meiner Pfarrkinder (in Niederroth)
nieder, daß sie sich während dieser Zeit ganz ruhig verhalten
und durchgehendst nach der gnädigsten Verordnung gehandelt
haben ... « (Hueter, 180-183).
Die Bittprozessionen
alten Stils wurden noch bis Ende der 60er Jahre unseres Jahrhunderts
aufrecht erhalten. Am Markustag ging man nach Sigmertshausen, in
der Bittwoche nach Weyhern, Ottmarshart und Sigmertshausen.
Beschreibung
von Wallfahrtszielen der Niederrother
1.
Wallfahrt nach Andechs 14)
Die älteste Wallfahrt führte nach Andechs (zum großen
Reliquienschatz, Heiltum genannt, darunter auch den "drei Hosten").
Sie wurde seit 1602 durchgeführt. Aus den wenigen noch vorhandenen
Kirchenrechnungs-Unterlagen geht hervor, dass die Fahnenträger
dafür z.B. im Jahr 1730 ein Zehrgeld von 1 Gulden 48 kr. erhielten
Ziel der Wallfahrt
nach Andechs war der "Heilthumschatz". Unter diesem
Begriff wurden die vielen verschiedenen Reliquien zusammengefasst.
Es handelte sich dabei um die Herren-Reliquien, die die Grafen von
Andechs (darunter auch der hl.Rasso) von den Kreuzzügen und
Wallfahrten aus dem Heiligen Land mitgebracht hatten. Darunter waren
Kreuzpartikel, Teile der Dornenkrone Christi, ein Stück vom
Tischtuch des Letzten Abendmahles und viele weitere Erinnerungsstücke
an das Leben und Leiden Christi. Dazu kamen noch Blut- bzw. Gregoriushostien
(Dreihostienmonstranz) sowie das Brautkleid und Brustkreuz der hl.Elisabeth
und ein Kopfreliquiar der hl.Hedwig. Auch ein Stück aus dem
Gewand des hl.Nikolaus und das Siegeskreuz Karls des Großen
gehörten zum Heilthumschatz. Die Reliquien waren in einzelne
Monstranzen aufbewahrt, die den Pilgern vom Fenster der heutigen
Hedwigskapelle aus einzeln gezeigt wurden (Weisung der Heilthümer).
Dazu wurden unterschiedliche Gebete und Litaneien gesprochen und
Lieder gesungen, je nachdem, ob es sich um das Reliquiar eines Heiligen
oder eine Herrenreliquie handelte.
2. Münchner Frauenkirche
Die
Dachauer nahmen am 18.Juni 1780 am "St.Benno Translations Jubelfest"
teil. 200 Jahre vorher waren die Gebeine Bennos feierlich die Frauenkirche
überführt worden. Die Frauenkirche
war damals noch nicht Dom/Bischofskirche, sondern Stifts- und Pfarrkirche
zu Unserer Lieben Frau. Dort war nicht Maria das Ziel der Wallfahrt,
sondern die Gebeine des hl.Benno, des Stadtpatrons Münchens.
Benno
war von 1066 bis 1106 Bischof von Meißen, also zur Zeit
des Investiturstreits. In diese Zeit fällt der berühmte
Gang von König Heinrich IV. nach Cannossa. Benno wurde
in den Streit zwischen Kaiser und Papst hineingezogen, wurde
mehrfach abgesetzt, exkommunziert und wieder eingesetzt. Als
er 94jährig starb, hat man ihn im Dom zu Meißen bestattet.
400 Jahre später wurde er am 31. Mai 1523 durch Papst Hadrian
VI. als "Apostel der Wenden" heiliggesprochen. Luther
sah darin den Versuch, der Ausbreitung der Reformation in Sachsen
entgegenzuwirken, und schrieb die Streit-schrift "Wider
den Abgott und Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden".
1539 wurde die Reformation in Sachsen eingeführt. Bennos
Grab wurde aufgebrochen. Seine Gebeine sollten in die Elbe geworfen
werden; doch man hatte sie angeblich bereits vorher aus dem
Sarg entfernt. Mit einem Echtheitszertifikat versehen wurden
sie 1576 nach Bayern überführt und 1580 in der Frauenkirche
in München beigesetzt. |
Bild Wikipedia
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Der Kreuzgang der Dachauer an
dieser 200-Jahres-Feier in München wurde etwas getrübt vom
Verhalten des Chefs der Mission. Der Dachauer Marktschreiber Ignaz
Steyrer berichtet dazu in der Marktkammerrechnung, Pfarrer Franz Felix
Sigler habe sich nicht nur alle religiösen Verrichtungen während
der Wallfahrt, sondern auch die weit überhöhten Lebenshaltungs-
und Bekleidungskosten in München bezahlen lassen. Er schreibt:
... er "habe sich, um sich allenthalben im Glanz und als ein
äusserlicher Seelen-Eyferer zu zeigen, so kostbar angerichtet,
daß man wahrhaftig nicht zur Ehre unseres großen heil.
Benno, sondern lediglich, damit der Sigler, mit einem ganz Ornat-Goldstück
angethan, seinen Hoffahrtsgeist erlustigen nkonnte; wie er dann von
eitler Aufgeblasenheit strotzend, den Sitz nach schon geschehener
Absingung des Hymnus gloria noch nicht verlassen wollte, sondern zum
endlichen Aufstehen gemahnt werden musste".
Daraufhin hat man in Dachau die vom Markt zu tragenden Kosten begrenzt:
bei künftigen Kreuzgängen nach München sollte der Herr
Pfarrer nur 3 Gulden bekommen und auch das nur unter der Bedingung,
dass er oder sein Vertreter sich nicht von der Wallfahrt entfernt
und in der Münchner Frauenkirche das Messopfer für die Kreuzgänger
feiert. Die Mesnerfamilie sollte für das Aus- und Einläuten
der Wallfahrer bei Weggang und Rückkehr 36 kr, für das Begleiten
des Kreuzgangs 1 Gulden erhalten. Auch für Schullehrer und Kruzifixträger
waren je 1 Gulden vorgesehen, für den Fahnenträger 1 Gulden
30 Kreuzer, den Vorgeher 36 Kreuzer und schließlich als Spende
für den Opferstock in München ebenfalls 36 Kreuzer.
3. Kloster Taxa
Die
Wallfahrt zum Kloster Taxa war in erster Linie eine Marienwallfahrt.
Doch in der Klosterkirche befand sich auch eine Kreuzreliquie,
die viele Pilger anzog. Die Kirche hatte sogar beide Patrozinien:
der Altarraum war St.Maria, das Kirchenschiff dem hl.Kreuz geweiht.
Hauptanziehungspunkt war aber die Muttergottesfigur mit Kind,
die von einer sternförmigen Aureole umgeben war. Die Wallfahrt
war ja entstanden, weil 1618 ein Hühnerei mit dem Relief
eines Strahlenkranzes gefunden worden war. Zudem glaubte man,
darin auch noch einen Frauenkopf zu erkennen.
Im 18.Jh wallfahrteten bis zu 60.000 Pilger alljährlich
nach Taxa. Es war damals -noch vor Altötting- die größte
Marienwallfahrt Bayerns. Die meisten kamen wegen akuter oder
überstandener Krankheiten, Gefahren und Schäden aller
Art. Viehseuchen sind seltener verzeichnet; zweimal ist von
einer Hühnerkrankheit die Rede. |
Kloster Taxa
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"Die Wallfahrt in Taxa, so schrieb
Hans Grassl, war über den Petersberg und Altomünster hinaus
das eigentliche geistliche Zentrum des Dachauer Hinterlands, wirklich
der Ort, an dem sich das bäuerliche und monastische Leben (Mönchsleben)
am innigsten berührten". Die wohl dreischiffige Kirche mit ihren
13 Altären, war größer als die Kirche im Kloster Indersdorf.
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