Wieskapelle
in TANDERN

Kapelle
auf der Landkarte...
Beschreibung
Die
Wieskapelle von Tandern liegt nördlich von Tandern in Richtung Oberdorf
-weithin sichtbar - auf einem Bergrücken.
Das Gebäude steht auf geschichtlich interessantem Boden. Hier
befand sich einst -durch Tradition und durch Knochenfunde belegt-der Pestfriedhof
für die Pfarrei Tandern. Pestfriedhöfe mussten aus hygienischen
Gründen außerhalb der Ortschaft angelegt werden.
Eine große Pestepidemie befiel Tandern beim 2.Einfall der Schweden
im Jahr 1634. Viele Dorfbewohner wurden durch die Krankheit hinweggerafft
und hier auf dem Pestfriedhof bestattet oder auch verscharrt.
Zum Andenken an diese Toten wurde kurz nach dem 30jährigen Krieg,
um das Jahr 1650, der erste Kapellenbau errichtet. Wie sie ausgesehen
hat, ist nicht bekannt. Die Kapelle sollte aus dem allseits gemiedenen
Pestfriedhof eine "geweihte Erde" machen.
Die Kapelle wurde dem hl.Nikolaus geweiht, dessen Eltern in einer Pestepidemie
ums Leben kamen.
Die
Kapelle von 1650 hielt 240 Jahre. 1892 wurde unter Pfarrer Anton Berchthold
eine neue Kapelle im Stil des Historismus erbaut, bei der es sich dem
Grunde nach um den heutigen Bau handelt. Das Äußere der Kapelle
wurde aber 1958 durch ein Unwetter verändert. Die Ereignisse am 16.7.1958
werden auch auf der Infotafel neben dem Eingangsportal der Kapelle beschrieben,
die der Verein "Zukunft Tandern" dankenswerterweise dort angebracht
hat. So können sich die Besucher schnell und unkompliziert über
die Kapelle informieren. Hier ein Beispiel:

Infotafel
am Eingang
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Örtliche Sagen vom feurigen
Ross und Reiter, einen Hund ohne Kopf sowie vom "Umgehen" und
Geisterspuk am Allerseelentag erzählen von der etwas gruseligen Tradition
der Kapelle. 02),
05)
Die Sage vom Schwarzen Reiter ist gleichzeitig die Gründersage. Mehr
darüber...
Im Jahre 1748 ließ die Baronin
Sibylle Sophie von Tandern von der Frauenkirche zur Pestkapelle
einen Kreuzweg
anlegen, von dem aber nichts mehr erhalten ist.
Patronatswechsel
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Die Kapelle war
ursprünglich -wie oben erwähnt- dem Hl. Nikolaus geweiht.
1750 löste der Bauer "Gamperl vom Schallerhof an der Furtgasse"
ein Gelübde ein und machte eine Wallfahrt zur Wieskirche in Steingaden.
Dort kaufte er eine schwere Holzfigur des „Geißelheilands (siehe
links), die er auf seinen Schultern 130 km weit bis nach Tandern trug.
Hier wurde sie auf den Altar der Nikolauskapelle gestellt. Die Figur
führte zur Umwidmung der Nikolauskapelle zur Wies-Kapelle. 02)
Heute befindet sich die Statue des Geißelheilands in der Tanderner
Frauenkirche. |
Innenausstattung
Die relativ große Kapelle
hat eine runde Apsis. Als Turm sitzt ein kleiner Dachreiter
auf der Südostmauer. Die rötlich gestrichene Fassade ist
durch weiße Pilaster
gegliedert
Der durch die
längs gestellten Bänke größer wirkende Innenraum
wird durch vier rundbogige Fenster an den Seitenwänden erhellt.
An der Decke ist ein vierpassförmiges
Gemälde mit geometrischen Formen angebracht.
Blickpunkt im Kapellenraum
ist der große, die runde Apsis füllende Altar.
Er besitzt eine sarkophagähnliche Stipes, wie sie früher
überall üblich war; diese ist von einem bemalten Antependium
aus Holz bedeckt.
Der Altaraufbau ohne begleitende Figuren besitzt eine erhöhte
Mittelnische mit krönendem Kreuz.
Anstelle von begleitenden Figuren besitzt die Nische auf beiden
Seiten je drei Säulen, von denen die mittlere nach vorne versetzt
ist. In der Mittelnische ist vor dem Hintergrund eines roten Vorhangs
ein Mariengemälde
angebracht.
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Vergrößerte Ansicht des
Altarbilds per Mouseklick
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An
den Wänden hängen um den Altar drei weitere Bilder und über
den längsgestellten Besucherbänken die 14 Kreuzwegbilder.
An der Rückseite des Kirchenraums, neben der Türe, hängt
sogar ein Votivbild.
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Annabild
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Heilige Familie
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Marienbild
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Kreuzigungsbild
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Votivbild neben der Tür
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Die beiden Bilder der hl.Anna
und der Hl.Familie sind thematisch
verwandt. Links wird St.Anna mit ihrer Tochter Maria dargestellt, im Bild
daneben diese Tochter Maria mit ihrer Familie Josef und Jesus bei der Arbeit
im häuslichen Umfeld. Zwei Heilige Familien.
Im Annabild werden rings um die Hauptpersonen zwölf Szenen aus dem
Leben von St.Anna in Text und Bild gezeigt:
hier: Die Vermählung von
St.Anna und St.Joachim
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St. Anna und St.Joachim lassen Maria in den heiligen Unterricht aufnehmen
St. Anna und St.Joachim stellen Maria im Tempel dar
Die Geburt der Jungfrau Maria
St.Anna darf nicht opfern, weil kinderlos
Die Vermählung von St.Anna und St.Joachim
Vertheilung eines Dritttheils ihrer Habe unter die Armen
Joachim flüchtet aus Gram ins Gebirge
Die Geburt von Maria
Anna unterrichtet Maria
Der Tod der hl.Anna
Die hl.Anna Patronin der Bergleute
Die hl.Anna Zuflucht der Armen. |
Kreuzwegbilder
Als
Kreuzweg werden die aufeinanderfolgenden bildlichen oder plastischen
Darstellungen bezeichnet, die meist aus vierzehn Stationen
der Leidens-geschichte Jesu, angefangen von der Verurteilung durch
Pilatus bis hin zur Grablegung, bestehen. Seinen
Ursprung hat der Kreuzweg im Brauch der Pilger, bei Wallfahrten
nach Jerusalem den Leidensweg Jesu auf der "Via Dolorosa"
nachzugehen. Als dies im späten Mittelalter wegen der arabischen
Besetzung des Heilige Landes nicht mehr möglich war, hielt man
Kreuzwegandachten daheim als Ersatz für die ausgefallenen Pilgerfahrten.
Die Stationen bildeten die Leidensstätten Jesu nach.
Auf diese Weise konnte der letzte Weg Jesu vor Ort nachgegangen und
sein Leiden anschaulicher betrachtet werden. |
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Die Bilder in der Wieskapelle
sind Papierdrucke eines Kreuzwegs des holländischen Malers
Frans Loots, der am 8 Dezember 1863 in Amsterdam geboren wurde und
am 14 Juli 1924 Haarlem starb.
Seine Signatur ist auf
dem 8.Stationsbild angebracht. |
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Frans
Loots malte mehrere Kreuzwege.
Die in Tandern als Drucke gezeigten Kreuzwegbilder entstanden 1890
und waren für die St.Urbanuskirche in Amstelven bestimmt. Die
Bilder wurden bei einem Brand in der Kirche im Sept. 2018 schwer beschädigt
und werden derzeit (2022) restauriert. Die Mittel dazu kommen aus
dem Prinz Bernhard Kulturfond. 06)
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1.Station
Jesus wird zum Tode verurteilt
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2.Station
Jesus nimmt das Kreuz auf sich
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3.Station
Jesus fällt das erste Mal unter dem Kreuze
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4.Station
Jesus begegnet seiner heiligen Mutter
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5.Station
Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
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6.Station
Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
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7.Station
Jesus fällt das zweite Mal unter dem Kreuze
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8.Station
Jesus begegnet den weinenden Frauen
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9.Station
Jesus fällt das dritte Mal unter dem Kreuze
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10.Station
Jesus wird seiner Kleider beraubt
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11.Station
Jesus wird ans Kreuz genagelt
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12.Station
Jesus stirbt am Kreuze
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13.Station
Jesus wird in den Schoß seiner hl.Mutter gelegt
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14.Station
Jesus wird in das Grab gelegt
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Kreuzwegdarstellungen in Deutschland
entstanden erstmals in und bei Klosterkirchen, auf Anhöhen und bei
Wallfahrtsorten, insbesondere in der Nähe von Franziskanerklöstern.
Mit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert hielten sie als Kreuzwegbilder
Einzug in die Innenräume der Pfarrkirchen und verbreiteten sich zunehmend.
Papst Clemens XII. erkannte im Jahr 1731 mit seinem Breve "Unterweisungen
über die Art, wie man den Kreuzweg abhalten soll" diese Form
des Kreuzwegs als kanonisch an und bedachte ihn mit großzügigen
Ablässen.
KunstFoto
Der Künstler Max van Allen hat von
der Kapelle ein schönes Foto gemacht und bei Google+ im Internet
veröffentlicht.
Wenn Sie es sich anschauen möchten, klicken
Sie hier...
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Die Kapelle ist ein markanter Punkt
auf dem "Beste-Gegend-Pfad", den der Verein "Zukunft Tandern"
im Jahr 2020 eingerichtet hat
04)
Hans Schertl
Quellen:
01) Heimatbuch
des Landkreises und der Stadt Dachau, 1971
02)
Kreitmeir/Anneser/Wagner,
Der Altlandkreis Aichach, 1979
03) Festschrift
zum 75. Bestehen des Schützenvereins Schützenlust Tandern, 1984
04)
Franz Hofner, Dachauer Nachrichten
vom 2.11.2019 (Beste-Gegend-Pfad)
05)
Reinhard Haiplik, Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau, Band 3,
S.28, 2019,
ISDN 978-3-936990-76-8
06) De Groot Schilderijenrestauratie
(Die große Gemälderestaurierung), downloaded 2022
29 Bilder: Hans Schertl

15.9.2022
Die
Sage vom Schwarzen Knecht 05)
Die Sage spielt im 30jährigen
Krieg.
1634 kamen die Schweden nach
Tandern. Die Soldateska verwüsteten das Dorf, ermordete Bewohner
und raubte das Vieh. Der Schlossherr und der Pfarrer konnten noch rechtzeitig
fliehen. Der Schwarze Knecht stellte sich den Soldaten entgegen und verteidigte
heldenhaft den Pfarrhof. Im hitzigen Kampf tötete er zwei Schweden
und schlug acht von ihnen in die Flucht. Dann versteckte auch er sich
in den umliegenden Wäldern. Der Feind kam wieder und nahm bittere
Rache. Er ermittelte den Hof des Schwarzen Knechts und löschte dort
jegliches Leben aus, trieb das Vieh weg, zündete den Hof an und brannte
das ganze Dorf ab.
Nach Abzug der Schweden kamen die Tanderner aus den Wäldern zurück
und fanden überall nur Trümmer vor. Der Schwarze Knecht kümmerte
sich an vorderster Stelle um den Wiederaufbau. Es schien wieder aufwärts
zu gehen.
Doch dann kam die Pest und viele der Bewohner, die den Krieg überlebt
hatten, starben an dieser schlimmen Krankheit. Niemand wagte die Toten
zu begraben. Auch dabei half der Schwarze Knecht. Er lud die Toten auf
den Karren und fuhr sie hinauf auf den Ziegelberg. Einer der Bewohner
nach dem anderen starb. Als letzter Bewohner von Tandern starb auch der
Schwarze Knecht.
Danach musste man Zuwanderer aus dem Alpengebiet holen, die die freien
Hofstellen wieder neu besetzten.
An der Stelle, an der die Pesttoten begraben worden waren, wurde um 1650
die Pestkapelle erbaut.
Ein Jahrhundert später bekam die Kapelle ein neues Patronat: Sie
wurde dem Gegeißelten Heiland auf der Wies gewidmet.
Das Patronat war damals modern: Die Wallfahrt zum Heiland auf der Wies
bei Steingaden war erst 11 Jahre früher, 1739, entstanden.

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