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Pferderennen in Pasenbach an St. Leonhard
Bericht von Robert Böck und Helmut Größ
in der Zeitschrift "Haus, Hof und Heimat"
(Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung der Verfasser)

Die Domestizierung des Pferdes brachte den Menschen große Vorteile. Weite Strecken waren mit dem Reitpferd schneller zu überwinden, die Kraft der Pferde wurde zum Ziehen von Wagen und Pflug eingesetzt. Des Weiteren wurden sie als Fleischlieferant genutzt und in kriegerischen Auseinandersetzungen bei der Kavallerie verwendet. Der Einsatz des Pferdes als Arbeitstier wurde erst im Mittelalter durch die Erfindung des Kummets möglich. Vorher hat man sich in der Landwirtschaft vor allem der Ochsen bedient. Während Vollblüter und die etwas ruhigeren Warmblüter Reittiere sind und auch als Zugtiere vor leichten Kutschen verwendet werden, sind die eher massigen Kaltblüter von langsamerer Gangart und fast ausschließlich Zug- und Arbeitstiere.
Die Pferde waren folglich des Bauern ganzer Stolz, wurden in eigenen Rossställen gehalten und von einem Rossknecht gepflegt und versorgt. In einem großen Hof im Dachauer Land konnten vor der landwirtschaftlichen Mechanisierung schon einmal zehn bis fünfzehn Pferde stehen (Fußnote I.) .Es gibt ein altes, böses Sprichwort, das pikanterweise den Wert der Pferde wiedergibt: "Weibersterben, kein Verderben, aber Rossverrecken großer Schrecken". Dass ein reicher Bauer natürlich seine Pferde, seinen wertvollsten Besitz, zeigen wollte, fand schon seit vielen hundert Jahren unter anderem seinen Ausdruck in Pferderennen.

Die Kirchenrechnung von 1673

Bei Nachforschungen zu den frühesten Leonhardiumritten in Pasenbach tauchten im Archiv der Erzdiözese München-Freising alte Kirchenrechnungen auf, deren älteste aus dem Jahre 1673 stammt. (FN II)
Sehr ähnlich lautende Rechnungen finden sich in zahlreichen Folgejahren bis weit ins 18. Jahrhundert. Was findet man in diesen Rechnungen? Aufgeteilt in Einnahmen und Ausgaben wurde festgehalten, welche Erträge die Kirche aus den Abgaben der Pasenbacher Bürger erzielte und welche Ausgaben für Kirche und Seelsorge das Jahr über angefallen waren.
Das Schriftstück beginnt wie folgt:

In der Transkription (Übertragung) lautet dieser Text:

"Khürchen Rechnungs Rapülar 1673 Von deß Würdigen S: Leonhardt Gottshauß und Filial Khürchen zu Bäsenbach, zu der Pfaar Vierkhürchen gehörig, Ist die Rechnung aller Einnammen und Außgebens in Gegenwarth herr Gregoris Wiellanders Pfaarers daselbst und beiden Verordneten Khürchen- bröbsten Hannsen Kreidtmayr Pöckhen (Bäcker) und Hannsen Hammerschmidten Huef und Waffenschmidt aldorten abgelegt: und durch die vorgesetzte Hofmarchsobrigkheit, Johann Hetmayer derzeiten Richtern, ordentlicherweis beschrieben, auch daryber angezogenen Rechnung aufgenommen worden, den 9. Novembris Anno 1673."

Was hier bereits auffällt, ist das Datum der Rechnungserstellung, nämlich der 9. November des Jahres 1673, also drei Tage nach dem Festtag des heiligen Leonhard, des Pasenbacher Kirchenpatrons. An diesem Patroziniumstag fand nämlich in Pasenbach eine große Feier statt, zu dessen Einzelheiten die besagte Rechnung einigen Aufschluss gibt. Vor allem die Ausgaben, die mit dem Ablauf des Festtages zusammenhängen, sind von Interesse.

Auf der Seite "Ausgab auf Priesterschaft und Mößner (Mesner)" findet man, dass der Pfarrer der Pfarrei Vierkirchen, Gregor Wieland, der auch in der Einleitung erwähnt wird (Gregoris Wiellanders), für das Abhalten des Gottesdienstes "wie von alters" 30 kr. (Kreuzer) erhielt. Das heisst, dass nicht der Benefiziat von Pasenbach, damals Johann Schwarz, das Amt zelebrierte, sondern der Pfarrherr selbst. Auch der Mesner, hier als Caspar Hochenegg erwähnt, bekam extra 12 kr. für seine Dienste. Wie feierlich der Festtag abgehalten wurde, zeigt auch der Eintrag unter "Sonderbare oder Gemaine Außgaben". Da wird dem Schulmeister von Vierkirchen Joseph Khärnbacher als Leiter des Chores für die Ausschmückung des Festes und das Singen bei "Vesper und Ambt" gedankt. Der Hinweis auf Vesper und Amt zeigt auch, dass nicht nur eine normale Messe zelebriert wurde, sondern dass dem Patroziniumstag eine größere Feierlichkeit zustand.

In Verbindung damit steht nun ein weiterer Eintrag in der Kirchenrechnung, der die Bedeutung Pasenbachs als Wallfahrtsort hervorhebt. Ein Posten unter den Sonderausgaben lautet:

In der Transkription ergibt sich folgendes:

Alweihlen alten herkhommens nach, am Fest S: Leonhardti das Jährlich gewöhnliche Rennets gehalten worden ist zu solchem ende 1 ¼ Ellen rotes Tuch erkhauft und dafür bezahlt worden. 2. fl. – kr.

Es wird also ausgesagt, dass, wie schon seit alters her, am Jahrestag des hl. Leonhard hier in Pasenbach ein Pferderennen, ein "Rennets", abgehalten wurde. Zu dessen "Ende", also nachdem der Sieger feststand, wurde diesem ein 1 ¼ Ellen langes, rotes Tuch überreicht, das 2 fl. (Gulden) gekostet hat. Eine Bayerische Elle war etwa 83 cm lang, also hier etwas mehr als ein Meter Stoff. Ein solches Gewebe war auffallend und besonders kostbar, weil sich ein Tuch in der scharlachroten Farbe (auch Karmin- Purpur- oder Krapprot) eigentlich nur reiche Personen leisten konnten (z. B. Kleidung der Kardinäle, deren Farbe darauf hinweisen soll, dass sie bereit sein sollen, jederzeit als Märtyrer für den Glauben zu sterben). Roter Farbstoff wurde früher sehr aufwendig gewonnen (FN III). Was aber war das besondere an einem solchen Rennen?

Frühe Pferderennen

n den ehemaligen Landgerichten Dachau und Kranzberg sind nach den erhalten gebliebenen, in der Regel mit dem Jahr 1630 beginnenden und mit der Säkularisation 1803 endenden Kirchenrechnungen in mehr als zwanzig Orten Pferde- und Fußrennen ("Rennet und Lauffet") nachgewiesen. Auffallend ist die Verdichtung des Brauches in der Mittwinterzeit, an den Festtagen des alten Pferdepatrons St. Stephan, dem 26. Dezember mit zehn Belegen u. a. in Steinkirchen, Schwabhausen, Lauterbach und Schleißheim, und an St. Silvester, dem 31. Dezember mit sechs Belegen, u. a. in Hohenbachern, Kleininzemoos, Mittelstetten, Lappach und Oberhandenzhofen. Zeitlich dazwischen, am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, liegen die Rennen in Fußberg und Glonnbercha. Rennen in Günding, Mittermarbach, Fahrenzhausen und Indersdorf wurden am Festtag des Pestpatrons St. Sebastian abgehalten, den man vielfach auch bei Viehkrankheiten und Seuchen anrief.

Die Erwähnung eines Rennens an diesem Tag des Jahres 1595 in Sirchenried (Gericht Mehring), damals schon als "alter Gebrauch" bezeichnet, ist der bisher früheste Beleg im nordwestlichen Oberbayern. Das 1673 belegte Rennen in Pasenbach ist der bisher einzige Nachweis für den Brauch im Dachauer Land am Festtag des hl. Leonhard (FN IV).
Zu bemerken ist, dass diese in vielfältigen Formen durch Kirchenrechnungen und andere Quellen überlieferten Pferde- und Fußrennen äußerst beliebt und weit verbreitet waren. Sie wurden sowohl im Zusammenhang mit religiösen Festen und Kulten, an Weihnachten, Ostern, Pfingsten, an Kirchweih- und Patroziniumsfesten, Wallfahrten und Hochzeiten, als auch zu vielen profanen Anlässen, abgehalten. Hierzu zählen insbesondere Jahrmärkte, Dulten und Volksfeste, sowie die, meist von Wirten veranstalteten, mit Preisen bedachten Pferde- und Schlittenrennen, die sich reger Beteiligung erfreuten. Mit den kultischen, mit Votivmesen, Weihen und Segnungen verbundenen Umritte oder Leonhardifahrten können diese Rennen nicht in Verbindung gebracht werden. Es handelt sich hier um rein profanes Brauchtum, das, wie vieles andere dieser Art, bei religiösen Anlässen und Kulthandlungen, sehr häufig begleitend in Erscheinung tritt. Im Einzelnen wird darauf noch einzugehen sein.

Das "Rennet"

Bereits im Mittelalter fanden sogenannte "Scharlachrennen" statt, bei dem der Sieger ein langes, scharlachrotes Tuch als Preis erhielt. Diese Rennen waren besonders in den größeren Städten profane Rennen, an denen sich vor allem der Adel beteiligte. J. A. Schmeller sagt dazu: "Das Rennend (…), das Pferderennen, eine in Bayern, besonders auf Kirchweihen, Jahrmärkten und dgl. sehr beliebte Volksbelustigung, die unter der Regierung Herzog Albert des Dritten (1401-1460) aus dem Vaterland von dessen Gemahlin, einer braunschweigischen Fürstentochter, nach Bayern verpflanzt worden (war) (FN V). Weiter schreibt er: "Das erste Rennen in München im J. 1448 [wurde] während der Jacobidult gegeben. Das vordrist phardt gewann ein Scharlach-Tuch (…), d. h., dass der Erste ein scharlachrotes Tuch als Preis erhielt. In anderen Quellen (Cgm. 632) heißt es: "die ir ros lassent lauffen umb gewin, als lauffen oder rennen umb den scharlach".

Aus diesen "Scharlachrennen" entstanden die auf den Dörfern veranstalteten "Rennet", bei denen die Preise von der Pfarrgemeinde gestiftet wurden. Der erste Preis war auch hier ein rotes Tuch, der dritte oder letzte oft ein Schwein. Von diesem Preis leitet sich übrigens auch der Spruch "Schwein gehabt" ab, ebenso wie die "Rennsau", die also nichts mit einem Schweinerennen zu tun hat. Über diese Pferderennen oder Rennet bei uns im Amperland gibt es bereits einschlägige Untersuchungen (FN VI).
Ein Ort aber fehlt in den bisherigen Untersuchungen, nämlich Pasenbach. Die Kirchenrechnungen, deren früheste aus dem Jahre 1673 stammt, beweisen jedoch, dass auch Pasenbach um diese Zeit, und sicher schon früher, Pferderennen abhielt. Der Kirchenpatron St. Leonhard ist seit Mitte des 17. Jahrhunderts der meistverehrte Vieh- und insbesondere Pferdepatron, dessen Kulte sich in der Folgezeit sicherlich und vielfältig, vor allem mit Einführung der Leonhardiritte und –fahrten entwickelt haben. Natürlich kommt man dabei sofort zu der Frage, ob Pferderennen und Umritte mit Pferdesegnung in direktem Zusammenhang standen. Leider gibt uns hier das kirchliche Dokument dazu keinen eigenen Hinweis. Doch dazu später mehr. Wie lief nun ein solches "Rennet" ab?

Wie lief nun ein solches "Rennet" ab?

Das schildert Rudolf Goerge in einem Bericht über den Ablauf des Festes in Hohenbachern, Pfarrei Weihenstephan folgendermaßen: (FN VII). Nach dem feierlichen Hochamt am Tage des verehrten Patrons oder des bestimmten Festes umkreisten die Reiter mit ihren Pferden die Kirche innerhalb der Friedhofsmauer und empfingen vom Geistlichen für Ross und Reiter den Segen. Jeder Teilnehmer leerte vor dem Altar des gefeierten Patrons als Opfergabe ein Säckchen mit Korn aus. Das Getreideopfer gehörte zum festen Bestandteil des Rennens, wie die archivalischen Belege zeigen. So heißt es z. B. in einer Kirchenrechnung von 1630 aus Kleininzemoos: "An St. Silvestertag ist an allerley getraid undereinander geopfert worden 3 schl (Schäffel) 10 viertl, deßwegen das schl. Verkauft worden per 4 fl. tt. 15 fl. 20 kr.". (…) Nach dem Opfer erhielt jeder Teilnehmer ein Bildchen mit dem Pferdesegen und der Abbildung des Patrons. Im Vöttinger Pfarrarchiv soll ein solcher "Silvesterzettel" aus Hohenbachern (…) aufbewahrt werden. Nun begann das Pferderennen. Die Teilnehmer jagten mit ihren Rössern vor dem Dorfe eine bestimmte Strecke entlang, um den Sieg zu erringen. Als Rennmeister fungierte meist der Ortsgeistliche. Als Preise, die sogenannten "Vortl" wurden ausgesetzt bunte, besonders rote, Tücher, Stoffe (Parchet) und sogar Handschuhe, ein Zopfgebäck, Lebzelten und Gockel oder anderes Geflügel (daher "Gockelrennen"). In Hohenbachern erhielt der Verlierer einen Saukopf für den letzten Platz.

Es ist gut vorstellbar, dass es in Pasenbach am St. Leonhardstag ähnlich zugegangen ist. Die Kirchenrechnung enthält nämlich auch einen Posten, wahrscheinlich für einen der nachplatzierte Teilnehmer: Ingleichen für 5 Ellen schwarz Parchet zu 16 kr. thuet 1 fl. 20 kr. Parchet, auch Barchent (FN IX). genannt ist ein Baumwollgewebe, Baumwollflanell. In den Kirchenrechnungen ist auch von den bereits erwähnten Getreidespenden die Rede:

"Am Fest S. Leonhardti für ½ Schäffl. – Mezn geopfert underschiedliches Getraidt erlest. 2 fl. 30 kr. Diese Getreidespenden am St. Leonhardstag gab es mit wechselndem Erlös. Je nach guter oder schlechter Ernte schwankten die Einnahmen zwischen 5 und 12 Gulden. In den Kriegsjahren 1704 bis 1709 (Spanischer Erbfolgekrieg) fanden keine Rennen statt, erst wieder 1710 erscheint ein Eintrag. Eine weitere Besonderheit nennt Goerge ein "doppeltes Rennet", ein Rennen "alß nahe und weitte", also für eine kurze und eine lange Strecke, so ein Hinweis auf eine Kirchenrechnung von Kleininzemoos aus dem Jahre 1654. Die jeweilige Strecke war durch die "Sträh" (aufgestreutes Sägemehl) markiert. Kleininzemoos, ca. drei Kilometer von Pasenbach entfernt, war eine am Tag des hl. Silvester vielbesuchte Wallfahrt zur Bewahrung der Pferde und Rinder, verbunden mit dem Opfer von Getreide und anderen Naturalien, sowie einem Rennen. Bereits 1630, also zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, erscheint in den Kirchenrechnungen der Eintrag: (FN X). Item auf St: Siluesstry Tag. Zum Rennet, ain Duech (Tuch), Zopf, und Lebzelten erkhaufft P: 2 fl. 44 kr. Auch in den folgenden Jahren wurden die Rennen abgehalten, obwohl die Kirche durch Kriegseinwirkung, vermutlich 1648, abgebrannt war. Schon 1650 wird in den Kirchenrechnungen wieder vom Silvesterrennen gesprochen. Eigentlich ist die Patronin dieser Kirche die hl. Margareta, Beschützerin der Bauern und Hirten u. a., aber einer der Seitenaltäre ist den Vieh- und Pferdepatronen St. Sebastian und St. Silvester geweiht. Es war jedoch nicht ungewöhnlich, dass die Rennen nicht dem Kirchenpatron selbst gewidmet waren. In den Kleininzemooser Rechnungen ist auch die Rede von einem Wettlauf zu Fuß, der am selben Tag stattfand.

Interessanterweise findet sich auch dazu ein Eintrag in den Pasenbacher Kirchenrechnungen. Dort heißt es wieder unter "Sonderbare oder Gemaine Außgaben": Für 2 Zöpf zum Fuesreneth 16 kr. Das bedeutet, dass der oder die Sieger des Rennens zu Fuß hier mit einem Gebäckstück, einem Zopf oder Fladen, belohnt wurden. Bei den Pferderennen gab es sogenannte Winterrennet und Sommerrennet. Viele, und vor allem älteren Rennen, fanden in der Spätherbst- und Winterzeit statt, wo auch die Festtage der häufig im ihre Hilfe angerufenen Schutzheiligen des Viehs liegen (Leonhard 6.11., Stephan 26.12., Silvester 31.12., Sebastian 20.1.). Das ist erklärbar durch die Tatsache, dass im Winter zur Feldarbeit keine Pferde benötigt wurden. Auch hatten die Bauern im Winter mehr Zeit für solche Festivitäten und ihre Pferde mussten sowieso bewegt werden. Ein Rennen im Sommer ist anlässlich des Patroziniumsfestes der Pfarrkirche St. Jakobus in Dachau am 25. Juli 1699 nachgewiesen (FN XI). Aus den ersten Zeitungen in unserer Region (Amperbote und Glonntalbote) entnehmen wir auch Anzeigen zu Pferde- und Schlittenrennen, die, unabhängig von kirchlichen Festen, meist von Wirten zur Steigerung von Umsatz und Bierkonsum, abgehalten wurden. Die erwähnten "Heilerrennen" wurden von kürzlich kastrierten jungen Pferden bestritten, die sich eben noch in der "Ausheilzeit" befanden.


Anzeige aus dem Amperboten vom 16. Jan. 1889

Rennen und Leonhardiritt

Ein schwieriges Unterfangen ist der Versuch, die beschriebenen Pferderennen mit den bekannten Leonhardifahrten oder –ritten in Zusammenhang zu bringen. Sogenannte Umritte haben ihre Wurzeln in teils noch heidnischen Kulten. Deshalb unterscheiden Fachleute auch zwischen kirchlichen, patronisierten Umritten mit Pferdesegnung, und profanen, abergläubischen Flur- und Grenzumritten (FN XII). Letztere, zu denen vor allem die in der Frühlingszeit abgehaltenen "Pfingstl-, Wasservogel-, Steffl. - oder Fastnachtsritte" gehören, wollen wir hier nicht näher beschreiben. Zu dem Thema schreibt Rudolf Goerge: Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass die Pferderennen in engem Zusammenhang mit der Kirche standen. Die Kirche, bzw. der in ihr herrschende Patron unterstützt und fördert nämlich solche Rennen unmittelbar, indem sie aus dem eigenen Vermögen oder aus dem Opferanfall die Preise stiftet und diesen sogar mittelbar oder unmittelbar, z. B. durch Ausstellung am Altar des gefeierten Patrons (hier St. Leonhard), sakrale Bedeutung verleiht.


Eisernes Pferd als Votivgabe Foto: Robert Böck

Was spricht nun dafür, dass mit dieser Kirchenrechnung und dem Pferderennen in Pasenbach auch schon um diese Zeit ein Umritt oder Leonhardiritt stattgefunden hat?
Da ist zum einen die Tatsache, dass die St. Leonhardskirche in Pasenbach sicherlich seit dem 18. Jahrhundert ein Wallfahrtsziel war (FN XIII). Noch bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts gab es Bittgänge nach Pasenbach. Auch die für St. Leonhards- Wallfahrten typischen Eisenvotivgaben, wie Hufeisen, Rinder und ein Pferd, welche in der Nische an der Außenwand der Kirche gefunden wurden, sprechen dafür (FN XIV). Das Pferd stammt aufgrund der besonderen Schmiedetechnik vermutlich aus dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert, Verbleib unbekannt.

Als fast untrügliches Merkmal einer Umrittsstätte sieht Georg Schierghofer das Vorhandensein des Bildes eines Umrittsheiligen (wie in Pasenbach des Hl. Leonhard) an der äußeren Kirchenmauer, denn von hier aus pflegte der Rosssegen gespendet zu werden (FN XV). Betrachtet man eine alte Flurkarte, so zeigt sich der damaligen Kirchenbau so freistehend, dass ein Ritt um die Kirche leicht möglich war. Leonhardiritte erwähnt die von dem Hirten Mathias Kneißl im 18. Jahrhundert gegründete Bruderschaft nicht, sie galt vor allem dem Seelenheil und Gedenken der verstorbenen Mitglieder (siehe HHH – Heft 9). Aus Archivalien des Klosters Indersdorf (FN XVI). erfahren wir, dass der dortige Kastner mit dem Verwalter um 1768 sowohl nach Pasenbach, als auch nach Inzemoos geritten ist, beides, wie beschrieben, naheliegende Wallfahrtsorte mit Pferderennen.

Vielleicht hat er auch bei den Rennen teilgenommen. Eine besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass ein Leonhardiritt auch in Harmating im heutigen Landkreis Bad Tölz stattfand. Harmating aber ist der Stammsitz der Barth, deren Eigentum auch die Hofmark Pasenbach war. Ob nun der Umrittsbrauch von Pasenbach oder Harmating ausging, ist unbekannt, aber nachdem die Hofmark Pasenbach seit Anfang des 16. Jahrhunderts im Besitz der Patrizierfamile Barth war, liegt eine gegenseitiger Beeinflussung sicher nahe.

In der Aufklärungszeit und vor allem in der Säkularisation (1803) wurden die (kirchlichen) Rennen verboten, doch wurde der Brauch vereinzelt noch weiter ausgeübt. In einem Schreiben des Landgerichts Moosburg aus dem Jahre 1807 heißt es dazu, es lasse sich "nicht mit dem reinen Christenthum, noch mit positiven Religionslehren" oder gar "mit den Staats-Grundsätzen der Kirchenpolizey" vereinbaren, "daß der für das Heiligthum geweyhte Tempel Gottes durch profane Vorbereitungen zu einem öffentlichen Pferderennen und durch das Ausstellen jener für ein profanes Volksspiel bestimmten Insignien von Halstüchern, Fähnleins mit großen Thalern entweiht (…) werde" (FN XVII).

Ob aus ähnlichen Gründen auch in Pasenbach weder Pferderennen, noch Umritte mehr stattfanden, ist unbekannt. Die Gründung des Leonhardibundes 1762 spricht eher für eine Beibehaltung, doch gibt es dazu keinen schriftlichen Nachweis, außer vielleicht die Bemerkung über den Indersdorfer Kastner.
Bei Wiederaufleben des Leonhardirittes erstmals 1924 berichtet Pfarrer Spötzl in der Pfarrchronik: "Alte Leute erzählen noch, daß in Pasenbach beim Leonhardi-Bundesfeste ein jährlich wiederkehrender Pferdesegen stattgefunden hat, wobei von jedem Pferdebesitzer, der daran mit seinen Pferden teilnahm, ein Quantum Getreide (Haber) an den Leonhardibund abgeliefert wurde. Dieser Segen ist später, wohl schon in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, vielleicht infolge des Aufklärungsrummels, abgeschafft worden (FN XVIII). Der einzige Hinweis auf einen Leonhardiritt in Pasenbach findet sich in der einschlägigen Literatur, wo der Brauch, neben zahlreichen anderen Orten in Altbayern, als um oder vor 1910 bestehend, erwähnt wird (FN XIX).

Mein besonderer Dank für diesen Bericht gilt Herrn Robert Böck, der sein überaus fundiertes Wissen um alte Volksbräuche in vielen Stunden Recherche und Korrekturarbeit hier eingebracht hat. Ebenso danke ich Herrn Rudolf Goerge für die Forschungsergebnisse aus Hohenbachern den Herren Erich Beck und Josef Otteneder für das "Auffinden" der Kirchenrechnungen.


Literatur:

a) Robert Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, Kulturgeschichte des Dachauer Landes Bd. 7, Museumsverein Dachau e.V. 1991
b) Georg Schierghofer: Altbayerns Umritte und Leonhardifahrten, Bayerland-Verlag GmbH, München 1913.
c) Josef Reindl: Uralte Bauernrennen in der Hallertau
d) Rudolf Hiendinger: Weiheross und Rossweihe. Eine religionsgeschichtlich – volkskundliche Darstellung der Umritte, Pferdesegnungen und Leonhardifahrten im germanischen Kulturkreis, Lentnersche Buchhandlung, München 1932.
e) Anton Rauch, Scharlachrennen, aus Zeitschrift "Der Zwiebelturm" 1950, 9. Heft, S. 209 ff.
f) Günther Kapfhammer, St. Leonhard zu Ehren, Rosenheimer Verlag 1977.
g) Birgit Neiser, Leonhardi, Verlagsanstalt Bayerland 1998.

Fußnoten:

  • I.  Siehe hierzu: Norbert Göttler, Leben und Arbeiten auf dem Bauernhof, aus Kulturgeschichte des Dachauer Landes
  •        Bd. 9, Museumsverein Dachau 1989, S. 63 ff.
    II.    AEM, Freising, Schachtel Nr. 4/14 R 17, Kirchenrechnungsbücher Pasenbach
    III.   Siehe hierzu: Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben, List- Verlag 2003, S.157 ff.
    IV.   Nach den Forschungsergebnissen von R. Böck (vergl. R. Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, Lit. a), S. 67-70)
    V.    Johann Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Oldenburg Verlag 2002, Bd. 2, S. 109.
    VI.   Zeitschrift Amperland 1972, S. 278-280 und 1981, S. 167.
    VII.  Zeitschrift Amperland 1972, S. 279
    VIII. Josef Maß- Sigmund Benker, Freising in alten Ansichten, Verlag d. historischen Vereins Freising 1976.
    IX.   Ein Mischgewebe aus Baumwolle auf Leinenkette, das glatt, auf einer oder auf beiden Seiten aufgeraut ist.
           Barchent verdrängte seit dem 14. Jahrhundert mehr und mehr das Leinen. Zu den führenden Zentren der
           Barchentherstellung auf dem europäischen Markt gehörten u.a. Ravensburg, Ulm und Augsburg.
    X.    StAMü LG Dachau, G. R. 1630 Bl. 391v – 395v
    XI.   Siehe Amperland 1989, Heft 3 S. 289: Die Dachauer Volksfeste vor 1900 von Dr. Gerhard Hanke
    XII.  Georg Schierghofer, Umrittsbrauch und Roßsegen, Sonderdruck aus Bayerische Hefte für Volkskunde 1921
    XIII. Robert Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, S. 178
    XIV. Siehe HHH-Heft 9, Manfred Rothenhöfer: Leonhardverehrung, Wallfahrt und Leonhardiritt in Pasenbach.
    XV.  Schierghofer, Umrittsbrauch und Rosssegen, S. 9
    XVI. HStAMü. Kl.Lit Indersdorf, Nr. 233, S. 36 u. 42 Rituale Ökonomicum, 1768
    XVII.Zeitschrift Amperland 1972, S. 280
    XVIII.siehe HHH – 9/2009
    XIX. Georg Schierghofer, Altbayerns Umritte und Leonhardifahrten, Bayerlandverlag GmbH, München 1913, S. 61.

     

    Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

    3.5.2013