Zehent-Streit
mit Kloster Rott am Inn
Sachverhalt
Der Zehent in Niederroth war eine Vermögensabgabe der Bauern (etwa der
zehnte Teil des Ertrages) an das Kloster Rott am Inn (= Grundherr) zum
Unterhalt des dortigen Klerus. Ursprünglich erfolgte er in Naturalien,
später (etwa seit dem 13. Jh.) auch in Geld. Durch das ursprüngliche Zehentrecht
von 1073 hat das Kloster Rott Anspruch auf zwei Drittel des gesamten Zehents.
1436 erhebt Pfarrer Ulrich Valkel Einspruch gegen die einseitigen Abgaben
zuungunsten des örtlichen Pfarrherrn. Im 15. und ganzen 16. Jh. verweigern
mehrere Pfarrherren, die sich übervorteilt fühlten, die Abgabe des gewohnten
Zehents nach Rott.
Vergleich
Schließlich kommt es nach heftigem, 11 Jahre andauernden Streit am 10.
Juni 1603 vor dem Landgericht Dachau zu einem großen Vergleich: Auf Geheiß
der geistlichen und weltlichen Obrigkeit wurde zwischen dem Landrichter
Adam Gerpöckhen (als Vertreter des Landesfürsten Maximilian Herzog von
Bayern), dem Pfarrer von Niederroth, Johann Laimer, und dem Prälaten von
Rott, Abt Marinus, folgende Übereinkunft über das künftige Zehentrecht
ratifiziert:
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1.
Das Kloster Rott bzw. der Pfarrer von Niederroth haben fortan Anspruch
auf jeweils die Hälfte des Großen
(= Getreide) und Kleinen (= Stroh; Erbsen, Flachs,
Rüben, Endspiel, Kraut und Obst) Zehents in Niederroth
und Ried.
2.
Das Kloster Rott hat Anspruch auf den ganzen Großen und Kleinen
Zehent zu Frauenhofen (Frauenhofen galt
als beste Stelle mit sehr fruchtbaren und ertragreichen
Böden, die von fünf Bauern bewirtschaftet
wurden) und dazu auf den dortigen Blutzehent
(= Vieh bzw. tierische Produkte).
3.
Der Große Zehent zu Kraut geteilt, der Kleine Zehent dem Niederrother
Pfarrer zu.
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Zehentverkäufe
Aus den Zehentverkäufen zwischen 1628 und 1632 geht hervor, welche
Zehenten der Pfarrer zu welchem Preis verkaufte. Zu den Zehentverkäufen
ist zu sagen, dass der Zehent eine Holschuld war: wenn der Pfarrer die
Garben nicht rechtzeitig auf dem Feld durch seinen Baumeister oder seine
Knechte abgeholt hat, ließen die Bauern jeweils die kleinsten Garben
stehen.
Streit
mit Zechpropst
Wie gehässig um den Zehent gestritten wurde, beweist folgende Anekdote
aus dem Jahre 1656: Der damalige Pfarrer Balthasar Grandauer, der nach
dem 30jährigen Krieg über schlechtes Einkommen und einen baufälligen
Pfarrhof klagt, stand mit dem damaligen Zehentprobst des Klosters, dem
Hans Mözen (Mezen), auf Kriegsfuß. Dieser hatte den Pfarrer
wiederholt um den ihm zustehenden Zehent gebracht. Grandauer schreibt
an den Prälaten von Rott: »Es suchet Hans Möz nichts als sein
nuz, undt mein Verderben, undt ist mir so namens....,- Als mein Köchin
der Mezin soliches ante aedes meas" (= vor meinem Hause) guettmainet hatt
vorgehalten, hat sie die selbige, wie auch mich so hart mit schmaehungen
angriffen, daß ich es Euhr gnaden nit schreiben mag ... «. Noch
im selben Jahr hat Pfarrer Grandauer sich revanchiert und dem Hans Mezen
sein Weib auf dem Weg am Haimbgeen vorm Dorff zu Niderroth ohn alle Ursach
mit straich und tretten mit redo füsen so ybl tractiert, daß
er Ir gar einen Zahn außgestossen .... "
Käsegeld
und Schweinebärn
So gingen trotz des Vergleichs von 1603 die Streitigkeiten zwischen beiden
Seiten bis in die Zeit von Adam Hueter weiter: u.a. wurde gestritten um
das Vorgriffsrecht (wer durfte seine Zehenthälfte zuerst sicherstellen),
um den Blutzehent und das Anspruchsrecht auf die qualitätsmäßig besseren
Äcker. Als unberechtigt bezeichnet Hueter auch die vorn Kloster erhobene
Forderung auf ein sogenanntes "Käsegeld", das dem Zehentprobst gezahlt
werden müsse als Entschädigung für den vom Probst beim Dorfe zu haltenden
Stier. Und die Forderung, dass der Pfarrer wegen seines Anspruches auf
den Blutzehent einen Schweinebärn" halten müsse, weist Hueter als »indecorum,
d.h. als eine für einen Pfarrer unschickliche Bürde entschieden zurück.
Rückblickend bezeichnet Hueter den Vergleich von 1603 als äußerst ungerecht.
Zudem hätten sich seine Vorgänger immer wieder zu schnell dem Diktat des
Klosters gebeugt oder hätten, wie sein Vorgänger Ignaz Sifferlinger (1747-86)
sich sehr wenig um die pfarrlichen Rechte gekümmert. Jedenfalls beharrt
Hueter ab 1796 entschlossen auf das 'Vorrecht im Zehentheben'. Von Seiten
des Klosters erfolgt kein Protest.
Mit
der Säkularisation (1802) findet ein Jahrhunderte langer Streit ein schnelles
Ende. Die erhaltenen Schriften des Adam Hueter vermitteln dem Leser den
Eindruck eines aufgeklärten, für seine Zeit sehr fortschrittlichen und
gegenüber der Obrigkeit selbstbewusst und mutig auftretenden Pfarrherrn,
der sich auch um das Schulwesen in Niederroth verdient gemacht hat.
Quelle: Niederroth
- Ein Dorf im Dachauer Land, 1995
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