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Pfarrvisitationen in JARZT

Visitationsberichte
1560 und 1584

Die Visitationsberichte enthalten neben den Feststellungen zu den theologischen Kenntnissen, der Amtsführung und dem Einkommen der Priester auch Bemerkungen zur Einhaltung des Zölibats. Dass damals die Pfarrer häufig Lebensgefährtinnen und Kinder hatten, wird heute teils schockiert, teils belustigt zur Kenntnis genommen. Doch man sollte für die damalige Zeit nicht die heutigen Maßstäbe anlegen. Zwar wurde das Zölibat 1139 für die gesamte kath.Kirche erlassen, doch bis zum 30jährigen Krieg war es jedenfalls bei uns üblich, dass die Pfarrer mit einer Frau zusammenlebten und Kinder hatten. Dies wurde vom Volk anerkannt und vom Bischof (der selbst Konkubinen hatte) toleriert. Erst durch die Reformation, die den evang.Priestern das Heiraten erlaubte, änderte sich die Einstellung.

Zudem war die Rechtslage vor 1563 so, dass der Pfarrer und seine Köchin miteinander eine "heimliche Ehe" schließen konnten, die kirchenrechtlich gültig war. Denn die Ehe ist ein Sakrament, das sich die Ehepartner selbst spenden. Damit war das Zusammenleben vor Gott gerechtfertigt. Erst das Konzil von Trient hob in einem Beschluss von 1563 die heimliche Eheschließung auf und ließ nur noch die vor einem Priester öffentlich geschlossene Ehe zu. 05)


Visitationsbericht von 1560 im Diözesanarchiv München
Die linke Hälfte der Seiten wurde für Hinweise
(z.B. von Vorgesetzten) frei gelassen

Möglicherweise trug auch die radikale Klimaverschlechterung um 1560 dazu bei, die Unmoral der Pfarrer stärker zu verfolgen. Denn man glaubte, dass sie eine Strafe des beleidigten Gottes für das Übermaß an Sündhaftigkeit auf Erden sei. Als Hauptsünden wurden Hexerei, Blasphemie, sexuelle Ausschweifungen und eben auch das Priesterkonkubinat ausgemacht. Katastrophen aller Art wurden als Folge menschlicher Verfehlungen betrachtet. Wolfgang Behringer spricht von Sündenökonomie, weil damals versucht wurde, "die Strafen Gottes für die Sünden der Menschen in rechnerische Kalkulationen zu transformieren". Die katholischen wie evangelischen Theologen gingen von einem kollektiven Menschheits-Sündenkonto aus, d.h., dass Gott eine bestimmte Menge von Sünden tolerierte. Wurde das Konto aber überzogen, folgte die Strafe Gottes und sie traf nicht nur das Individuum, sondern die ganze Gesellschaft. Deshalb ging man in der 2.Hälfte des 16.Jh gegen jegliche Unmoral vor, verbot die Prostitution, das Fensterln und eben auch das Priesterkonkubinat.
Aber nicht die Bischöfe, sondern die bayerischen Herzöge (Albrecht V. u. Wilhelm V.) setzten sich für die Einhaltung des Zölibats ein und sorgten sich um die Erhaltung des rechten Glaubens. Die Bischöfe erließen strenge Vorschriften, wiesen aber zugleich darauf hin, dass die Durchsetzung wohl schwierig werden könnte. So heißt es Buch Landersdorfers 01) auf Seite 167 über den Kongregationstag von Salzburg am
5.Juli 1563 : "Zum schleppenden Fortgang bei der Reform des Kleruns erklärten die Bischöfe, dass sie zwar ein scharfes Mandat publiziert hätten, dass aber 'sonnderlich auf dem lanndt, da die briester mit mairschafft beladen, das weckhschaffen der concubinen nit so baldt, wie es wol die notturft eraischet' geschehen könnte. Bei allzu strengem Vorgehen wäre ihrer Ansicht nach zu befürchten, daß die Pfarrer eher ihre Gemeinden als die Köchinnen verließen, was angesichts des eklatanten Priestermangels zu noch größeren Problemen führen würde."

Die Visitation 1560 war noch voll der Sorge um den rechten Glauben. Das Zölibat wurde nur nebenbei überprüft. 25 Jahre später, bei der nur von den Herzögen durchgeführten Visitation von 1584, wurden die Priesterfrauen regelrecht gejagt. Nach dem 1583 vom Papst erlassenen Mandat "Contra Clericos Concubinarios", waren die Landesherren befugt, nach den "Beischläferinnen" der Pfarrer zu fahnden und sie aus den Pfarrhäusern zu vertreiben.

Im Visitationsbericht von 1560 werden die Ergebnisse Pfarrüberprüfungen in drei Teilen dargestellt: nach der Befragung des Pfarrers, nach der des Kirchenpflegers und nach Augenscheinnahme der Visitatoren. Ich habe im Folgenden die Ergebnisse nach Themenbereichen zusammengefasst um Wiederholungen zu vermeiden und Ihnen eine bessere Übersicht zu geben.

 


Bericht über die Visitation im Jahr 1560
Bericht in heutigem Deutsch
[in eckigen Klammern Originaltext-Auszüge]
(in runden Klammern mit Kursivschrift: Hinweise und Erklärungen von H.Schertl)


Pfarrei: Die Pfarrei liegt in der Hofmark Massenhausen. Hofmarksherr ist der Bischof von Freising. Auch das Präsentationsrecht für Jarzt liegt beim Bischof. Die Pfarrei umfasst 380 Communicanten, alle katholisch. Die Gläubigen verhalten sich lobenswert; nur bei der Bezahlung des kleinen Zehents seien sie "saumselig". Die Einnahmen des Pfarrers liegen bei 200 Gulden. Der Kaplan erhält 7 Gulden vom Pfarrer und 20 Gulden von den Wochenmessen; dazu 4 Schäffel Korn. Von den Pfarrgründen ist nichts verkauft. Die Pfarrei hat ein ordentliches Mesnerhaus ["nit sonders paufellig"]. Der Mesner wird als "vleissig" gelobt.

Kirche:Die Kirche hat 3 Altäre, ein wohl verschlossenes und beleuchtetes Sakramentshäuschen, einen Taufstein und "sonst alle khirchenzier". In der Kirche befinden sich 3 Kelche mit Corporale, 3 verschlissene Messbücher ["sein zerissen], 3 Messgewänder schlechter Qualität, ein Liturgiebuch und ein Gesangbuch. Das Allerheiligste und die Öle werden rein aufbewahrt ["pure tractantur"]. Das Taufwasser befindet sich in einem Krug. Sonst kain mangl, heißt es im Bericht.
In der Pfarrkirche werden wöchentlich (wohl einmal) und jeden 2.Sonntag Messen gelesen.

Pfarrer: Pfarrer in Jartz ist Georgius Hirschpeckh. Er stammt aus dem Ort Gallenbach im Bistum Augsburg. Das Studium hat Georgius in Ingolstadt absolviert. Nach der Priesterweihe in Augsburg (1549) hielt er in Farntzhausen seine Primiz. Nun ist er im siebten Jahr Vicar zu Jarzt. Georgius Hirschpeckh ist vermutlich ein Sohn des in Oberrot tätigen Pfarrers Melchior Hirschpeckh. Im Bericht heißt es, "Pfarrer gibt absent seinem vattern 32 Gulden". Die Pfarrei Jarzt ist schon seit 1550 offiziell dem Vater Melchior übertragen, der selbst als Stellvertreter des Pfarrherrn in Oberroth tätig ist und seinen Sohn als seinen Vertreter in Jarzt einsetzt. Der Sohn erhält alle Einnahmen der Pfarrei, muss aber an den Vater 32 Gulden für die "Untervermietung" abführen.
Der Pfarrer hält die gestifteten Messen und Jahrtage fleißig. Er selbst beichtet im Jahr mehrmals je nach Gelegenheit. Hirschpeckh predigt dem Bericht nach an allen Feiertagen. Die Predigtvorlagen entnimmt er katholischen Büchern. Er hält sich an die Bestimmungen der katholischen Doktrin, weiß über die Messe, die Zeremonien, die Anrufung der Heiligen und über den katholischen Glauben insgesamt Bescheid, und bekennt sich zu den 7 Sakramenten (die lutherischen Gläubigen erkennen nur 2 Sakramente an). Bei der Befragung durch den Visitator konnte er immer eine gut katholische Anwort geben. Über die Kirchenbußen, die einem Beichtenden je nach Schwere der Sünden aufzuerlegen waren, war er informiert. Lediglich über die Casus reservatus (Vergehen, von denen nur Papst oder Bischof absolvieren können) wusste er nur zum Teil Bescheid.
De vita: Hat eine Köchin. Ist unverheiratet. Hat kein Kind. Pfarrer und Geselbriester (Kaplan) werden eines ehrbaren Lebenswandels gerühmt. Hinweis: Die Aussage "ist unverheiratet" ist nicht so selbstverständlich, wie sie klingt. Bis 1545 war es möglich, dass sich Eheleute allein durch gegenseitige mündliche Erklärung heiraten konnten. Das haben auch katholische Priester genutzt. Es war natürlich ein Verstoß gegen das Zölibat, das ja Ehelosigkeit bedeutet.

Cooperator: Der Kaplan heißt Thomas Nettenstain und stammt aus Oberroth. Er studierte in Salzburg, Wien, Augsburg und an weiteren Lateinschulen, wurde in Freising geweiht und feierte in Oberroth Primiz. Jetzt ist er im dritten Jahr Priester. Hin und wieder hält er Moralpredigten. Er besitzt den Katechismus des Bischofs von Meersburg. Auch er kann die Fragen der Prüfer zu den katholischen Glaubenssätzen zur Zufriedenheit beantworten. Nettenstain glaubt an die 7 Sakramente; eines davon, die Firmung, hat er seines Wissens selbst nicht erhalten.

Eine Aufstellung über die Größe der Pfarreien im Dachauer Land im Jahr 1560 finden Sie hier...


Bericht über die Visitation im Jahr 1584
durch einen Beamten des herzoglichen Rentmeisters 02)

In der Pfarrei Jarzt leben 400 Kommunikanten.
An Filialen gehören St.Veit zu Fahrenzhausen, Westerndorf, Lauterbach und Pelka dazu.
Pfarrer ist Johann Mayr, in Gartz im 9.Jahr, seit 10 Jahren Priester und in Freising ordiniert.
Der Dekan wohnt in Pellheim im Gericht Dachau, das erst neulich zum Dekanat gekommen ist.

Es müssen drei gestiftete Wochenmessen gelesen werden. Deshalb wird auch ein Gesellpriester gehalten. Der Pfarrer beklagt sich, weil er nur einen Gesellpriester hat. Obwohl er etliche Messen liest, gibt man ihm jährlich nicht mehr als einen Taler. Für die gestifteten Messen hat er jährlich 300 fl. Einnahmen. Er hat dies und anderes bei den geistlichen Räten zu München gemeldet.

In der Pfarrei gibt es etliche rebellische Bauern, die nicht opfern und den schuldigen Gehorsam nicht leisten.
Fleischessen an verbotenen Tagen geschieht jedoch nie.

Er, der Pfarrer, hat keine Konkubine mehr. Sie ist vor fünf Jahren weggebracht worden. Er hat ihr bei 70 fl. gegeben. Der Pfarrer bestreitet nicht, dass er mit seiner Konkubine auch einige Kinder gezeugt hat. Wohl hat er die Köchin und den Gesellpriester miteinander zweimal des Konkubinats halber aus dem Pfarrhaus gejagt. Wegen Verstoßes gegen den Zölibat wurde Johann Mayr von Hans Ludwig Gumppenberg, der von 1570-1596 Pfleger von Kranzberg war, beim Geistlichen Rat angeklagt. Doch von einer Strafe ist nichts bekannt. Im Gegenteil: Mayr wurde am 26.Juni 1600 sogar zum Dekan des Dekanats Dachau als Nachfolger von Dekan Andreas Peischl ernannt.

Das Widum (Pfarrgut) ist um den dritten Teil verstiftet. Die zum Pfarrhof gehörige Landwirtschaft ist verpachtet. Der jährliche Pachtzins beträgt 1/3 des Ernteergebnisses.

Das Pfarrvolk besucht die Kreuzgänge. Dabei mangelt es nicht, wie auch die anderen Gottesdienste fleißig besucht werden. "



Pfarrer Johannes Mayer
04)

Pfarrer Johannes Mayer (der sich auch Mayer oder Mair nannte) wurde um 1550 in Freising geboren. Er studierte ab 1570 an der Universität Ingolstadt und wurde am 5.6.1574 in Freising zum Priester geweiht. Pfarrer von Jarzt wurde er am 13.12.1575 als Nachfolger von Pfarrer Bernhard Geltinger. 1600 wurde er zum Dekan des Dekanats Dachau ernannt.

Mayr war übrigens ein außergewöhnlicher Geistlicher, der neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit noch Zeit und Muße hatte, mehrere historische Werke in deutscher Sprache in Druck zu geben und Kompositionen für den Gottesdienst zu schreiben.
So hat er viele Bücher gelesen und daraus Compendien erstellt, in denen er z.B. "von beeden newen Welten berichtet, von Indien im Osten und Indien oder America zu Nidergang der Sonn". Er wies auch eindringlich auf "der Türckischen Tyranney höchste Bedrangnuß" hin, durch die Freisinger Güter in Slowenien zerstört worden waren.
Weitere Titel waren: "Compendium chronologium nerum historicanum Seculi a Christo nato XVI. München 1598. Freisiing 1604.4" und "Kurzer Bericht aller denkwürdigen Sachen, so sich in den nächsten hundert Jahren in Engelland zugetragen. München 1600.4"

Es gab auch Kritiker an der schriftstellerischen Tätigkeit von Johann Mayr. Sie meinten, eine dem geistlichen Stand ergebene Person solle die Zeit mehr mit dem Studium der Bibel und anderer heiliger Bücher verbringen, anstatt mit "Geschichtswerken und Kriegsgeschichten". Diesen "Mißgünnern" entgegnete er, die Heilige Schrift sei "mit guten und bösen Geschichten, Historien und Kriegssachen nur wol gespickt und überschüttet".
Johannes Mayer war auch ein tüchtiger Musiker und Komponist. Er war mit dem Münchner Hofkomponisten Orlando di Lasso (152-94) und erklärte, er sei dankbar, dass Orlandos Söhne ihm "im exercitio Theoreticae Musicae und arte componendi, ofmaln freudwillige Hiff und Handraich gethan" haben.
Mayr starb wohl am 30. 9.1609 (nicht belegt). Sein Nachfolger wurde jedenfalls am 29.10.1609 der Chorherr von St.Martin und St.Kastulus in Landshut Dr. Maximilian Kaiser (bis zu seinem Tode am 19. 9. 1616 Pfarrer von Jarzt).


Quellen:
01) Anton Landersdorfer, Das Bistum Freising in der bayerischen Visitation des Jahres 1560, 1986

02) Josef Brückl, Zur Durchführung des Zölibats, Amperland 1975/2
03) Festschrift zur 1250-Jahrfeier der Diözese München und Freising, Das Dekanat Weihenstephan, 1989

04) Rudolf Goerge, Etliche Historicos abgelesen und einen Extrakt daraus gezogen, Amperland 2014/2 (Joh.Mayr)
05)"Von der Geheimehe zum Kirchenaustritt", Münchner Kirchenzeitung vom 7.2.2021
06)Freisinger Wochenblatt-zugleich Amtsblatt für Freising, Moosburg und Dachau v. 7.02.1856 (weitere Titel)


Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

31.7.2014