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Indersdorfer Chorstuhlstreit 1755 04) 15)

Im Zuge der Umbauten der Klosterkirche 1755 plante der damalige Propst Gelasius Morhart u.a. die Verlegung der Mönchschors. Das Chorgestühl, in dem die Mönche ihre Chorgebete verrichteten und die Psalmen sangen, sollte aus dem Altarraum im Osten auf die Empore im Westen verlegt werden.

Diese Baumaßnahme fand bei den Mönchen keine Zustimmung. Die Vertreter des Konvents, also der Gemeinschaft der Mönche, gaben ihre Zustimmung zum Umbau nur unter der Voraussetzung, dass der Mönchschor im Altarraum unangetastet bleibt. Propst Morhart versprach dies auch, hielt sich aber nicht an die Abmachung.

Die Mönche ließen sich das nicht gefallen. Pater Benno als Dekan Vertreter des Konvents wandte sich in einer Eingabe vom
23. April 1755 an den Freisinger Fürstbischof, worin er sich gegen die Verlegung des Mönchschors verwahrte und um bischöfliche Hilfe bat. Die Dokumente dieses Streits sind überliefert.

Am 28. April 1755 wurden die beiden Streitparteien zur Stellungnahme aufgefordert. Der Konvent begründete seine Eingabe damit, dass die Verlegung ein "periculum in mora" - eine Gefährdung der klösterlichen Ordnung bedeute. Propst Morhart begründete seine Maßnahme mit bautechnischen Erwägungen. Der Versuch einer gütlichen Einigung bei einer Kapitelsitzung an Pfingsten scheiterte. Am Ende drohte der Propst: "Ich will hoffen, die Herren werden wegen der Translation des Chores psallentium (= Verlegung der Chorstühle auf die Empore) nachgeben, widrigenfalls werden Sie mich künftighin (als) denjenigen nicht mehr erfahren, der ich bishero gewesen". Der Propst baute einfach weiter und versuchte, vollendete Tatsachen zu schaffen. Das passte dem Bischof nicht. Er ordnete am 1.Juli eine Visitation des Klosters an, weil der Propst allen Befehlen zum Trotz weiterbaue. "Falls nun oft besagter Propst ... eine fernere Widersessigkeit bezeigen sollte, so habt Ihr ihn personaliter nach Freising zu zitieren", wies er die Visitatoren an.

Schon am 3. Juli 1755 wurde die Visitation durchgeführt. Nach 4 1/2-stündiger Reise gelangte die Kommission von Freising nach Indersdorf. Der Propst war überrascht. Er bat, den Lokaltermin um eine Stunde auf 11 Uhr zu verschieben, damit kein niederes Volk bei der Auseinandersetzung zusehen und zuhören konnten. Um 11 Uhr gab es nämlich Mittagessen für die Arbeiter.
Bei der Besprechung trug der Propst 10 Punkte vor, die für die Verlegung der Chorstühle auf die Empore sprachen:
Der neue Mönchschor auf der Empore ist
   1. praktischer und größer 2. heller 3. wärmer, weil höher gelegen 4. ruhiger
   5. Platz für alle Mönche 6. bessere Akustik 7. kein leidiges Herumlaufen nötig 8. vorderer Chor zu klein
   9. vorderer Chor steht Grufterweiterung im Wege 10. Volk sieht nicht das oft unwürdige Benehmen der Mönche (!)

Am 1. August 1755 wurden Propst Gelasius Morhart und seine Widersacher, der Sprecher des Konvents Pater Benno, zu einem Sühneversuch nach Freising geladen; der hatte aber keinen Erfolg.
Daher fasste das Ordinariat folgenden Beschluss: Pater Benno hat recht; die Kirche ist im alten Zustand wiederherzustellen.
Doch der Propst baute weiter.

Im Frühjahr 1756 wendete sich Morhart an den Kurfürsten von Bayern, Max III. Joseph, mit der Begründung, es handle sich bei der Chorverlegung nicht um eine liturgische Angelegenheit sondern um "eine Temporal und Bausach". Allerdings hätte er dann Baupläne beim Kurfürstlichen Geistlichen Rat in München einreichen müssen. Doch am kurfürstlichen Hof sah man über dieses Manko hinweg, weil dieser Streit eine gute Gelegenheit war, der geistlichen Instanz in Freising ihre Grenzen aufzuzeigen. Der Kurfürst genehmigte den neuen Chor, weil er "der größeren Zierde der Kirche" dient und darüber hinaus der klösterlichen Disziplin förderlich ist. Es komme nicht in Frage, dass "durch kostbar und ohnnötiges Prozessieren außer Lands - gemeint ist das Hochstift Freising- dem Kloster Indersdorf Schaden entstehe. Der Kurfürst drohte nun dem Gegner von Morhart, dem Pater Benno, man werde "wider die widersessigen mit anderen Einsehen verfahren".
Dann geschah ein Jahr nichts.

Am 15. Juni 1757 zeigt sich, dass es beim Streit zwischen dem Kurfürstentum Bayern und dem Hochstift Freising um mehr ging, als nur um den Chor, um alte Fehden zwischen Freising und München, um die Prinzipien zwischen staatlicher und kirchlicher Gewalt; auch wenn Kurfürst und Bischof meist verwandt waren, so wie damals Kurfürst Max III. Joseph und Fürstbischof Kardinal Johann Theodor; sie waren Neffe und Onkel.
Nun untersagte der Kurfürst dem Indersdorfer Propst die Ausreise aus Kurbayern, d.h. er ersparte dem Propst demütigende Reisen zum Freisinger Bischof. Der wiederum setzte von Freising aus den Propst in Indersdorf ab, mit den Worten: "wollen wir Euch hiemit in so lang und viel wirklich suspendiert haben, bis Ihr Euch anbefohlener Maßen hier persönlich stellen und über die geschehene Unternehmung verantworten werdet, wobei Euch auch unverhalten bleibet, daß, wenn Ihr während solch wirklicher Suspension zu celebrieren Euch unterfangen solltet, ihr in die in violatores censurarum verhängte Irregularität verfallen würdet". Dem Propst war damit das Zelebrieren der hl. Messe untersagt. Doch der kümmerte sich darum so wenig, wie um die anderen Freisinger Entscheidungen.

Am 14. Juli 1757 beschwerte sich deshalb der Bischof über Morhart beim Kurfürsten: "Der Propst von Euer Liebden gestützt, hat aus einer nie erhörten Frechheit die Censur übertreten und die sacra fort zu celebrieren sich nicht entzogen, ist dadurch in die poen der Irregulartität verfallen, wovon ich ihn nach Ausweis unserer geistlichen Rechte nicht mehr entbinden kann, nur der Heilige Apostolische Stuhl" (= Papst). Ob der Chorus psallentium (= Mönchschor) zugegen der etlich hundertjährigen Observanz abgeändert und anderwärts hin sine Consensu Capituli (= ohne Zustimmung des Kapitels) versetzt werden könne, diese Frage hat keinen andern Gegenstand als die Anordnung des äußerlichen Gottesdienstes. Sie muß auch denen dem Capitel zu Indersdorf eigenen Statuten entschieden werden und dieses gehört nach den unzweifelhaften Grundsätzen unserer Katholischen Kirche, ja sogar nach Euer Liebden eigenen Erklärungen Ihrer Landesverordnungen zu der Geistlichen Gerichtsbarkeit. Der Probst zu Indersdorf ist für seine Person als ein unexempter Geistlicher mein, als seines Bischofs eigentlicher Untertan - Landstand nur secundario (= nur in zweiter Linie Staatsbürger). Würde nicht dieses unerhörte Beispiel endlich den Umsturz des so viele Saekula (= Jahrhunderte) hindurch rühmlich blühenden reinen Katholischen Religionswesens in denen Kurbayerischen Landen befördern ?"
"Probst Gelasius wird daher nicht bloß als suspendirt von jeder geistlichen Funktion sondern auch in spiritualibus und temporalibus und so lange als irregulär erklärt bis er von Rom die erforderliche Dispensation und die Absolution werde erlangt haben".

Am 13. Aug. 1757 kam der Vertreter des Kurfürsten in geistlichen Fragen (Hertel) nach Indersdorf und erklärte, dass der Kurfürst auf seiner Entscheidung beharre und der Bischof nachgeben müsse. Das tat der auch. Er stimmte der Verlegung des Chores zu und schickte Pater Benno, der nach Freising geflohen war, wieder nach Indersdorf zurück. Pater Benno trat von seinem Amt als Dekan und Sprecher des Konvents zurück und wurde Expositus (= Pfarrer) in Langenpettenbach. Aber der Bischof setzt Gelasius Morhart nicht wieder in das Amt des Propstes ein. Dies sei allein die Befugnis des Papstes. Deshalb müsse sich der Propst als reuiger Sünder in Rom präsentieren und um Gnade flehen. Das wollte Gelasius nicht, denn "wo ein Vergehen nicht vorliegt, hat auch die Suspension (= Entbindung vom Amt) keine Gültigkeit ", sagte er. Zudem war zu erleben, dass Morhart in den Pfarreien oder bei anderen Klöstern weiterhin als Propst angesehen und in allen Ehren empfangen wurde.

Doch der Bischof gab nicht nach und der Kurfürst wollte den Streit nicht weiter betreiben. Deshalb schlossen die beiden
am 10. März 1758 folgenden Vertrag:
1. Der Propst wird dem Kardinal seine Submission (Unterwerfung) bezeigen
2. Prof. Zech aus Ingolstadt soll in einem Gutachten klären, ob die Wiedereinsetzung als Propst einer Dispens
   (Ausnahmegenehmigung) von Rom bedarf.
3. Der Kardinal wird die Bitte um Dispens zu Rom unterstützen und es dulden, dass der Propst bis zur Dispens weiter das Hochamt
   liest und Sakramente spendet.

Das theologische Gutachten vom April 1758 hielt -wie erwartet- die Dispens aus Rom für notwendig. Propst Morhart musste widerwillig ein Bittgesuch an den Papst aufsetzen. Das wurde in Freising wie ein Schulaufsatz korrigiert und zurückgeschickt. Der Propst musste mit knirschenden Zähnen das Gesuch mit dem Freisinger Text noch einmal schreiben.

Am 3. Juni 1758 erteilte der Apostolische Stuhl in Rom die Absolution. Das Schreiben kam am 20.Juni in Freising an und wurde im Bistum bekannt gemacht. Noch am selben Tag wurde Propst Gelasius von Kardinal Joh.Theodor wieder in alle Würden und Ehren eingesetzt.

Nun konnte der dreijährige Streit um die Verlegung des Chores beendet werden. Es kam zu folgendem Vergleich:
Der Kardinal stimmt der vom Propst Morhart veranlassten Verlegung des Mönchschores (vom Altarraum auf die Empore) zu.
Diese Verlegung kann später rückgängig gemacht werden, wenn dies vom Propst und dem Konvent gemeinsam gewünscht wird.

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Quellen
:
04) Eberhard Graf von Fugger, Geschichte des Klosters Indersdorf, 1883
15) Dr.Peter Dorner, Die Barockbauten des Indersdorfer Propstes Gelasius Morhart, Amperland 1973/2