Kirchliche
Pferderennen (Renneth)
am Kindltag in Amperpettenbach
Die Kirchenrechnungen
von 1654, 1700, 1710 und 1715 weisen folgende, zunächst nur schwer
verständliche Posten auf:
1654: "Zum Rennet an heil: Khindltag
für rott Tuech, und anderes zum Vorttl: 2.-.-"
1700: "Auß .2/4: am Rennet hiehero
geopferten getraidt, so man dem wirth ieds pr 45 kr. yberlassen: 1.30.-
Damalß vor der Kirchen ersamblt -.43.-
Auß
ainem hiehero geopferten Kalb empfangen: 1.30.-"
1710: "An dem am Unschuldigen Kündltag
gehaltenen Renneth ist von denen ienigen, so am annderen Renneth
die
.2. gewinter Bekhommen Verehrt worden, heur: -.-.-
Auß
ainer hiher VerEhrten, und wider Verkhaufften Ganß, hat man erlesst:
-.24.-
Dann
so sint an dem Renneth .3.Viertl Korn, und 1/2 Gerssten geopfert und dem
Mösner weiln, und zwar
daß
Schäffl. Korn zu .6.f: und die Gerrsten a .6.f Verkhaufft worden,
thuett: 1.45.-"
1715: "An dem Renneth ersamblet, weill kheines
gehalten worden: -.-.-
Aus
ainer geopferten Ganns: -.24.-
Dan
aus .2 1/4 Mezen Gerssten: 1.2.4"
Es geht hier um Ausgaben für
und um Einnahmen aus einem Pferderennen, das jeweils am Tag der unschuldigen
Kinder (28.Dezember) abgehalten wurde. Da die Archive im 19.Jh den größten
Teil der Kirchenrechnungen aus Platzgründen vernichteten und nur
wenige Jahresrechnungen exemplarisch aufbewahrten, kann man die Rennen
nicht nur auf die o.a. Jahre beschränken. Wahrscheinlich wurden sie
jedes Jahr abgehalten, wenn das Wetter mitspielte. Dass 1715 explizit
kein Rennen abgehalten wurde, aber dennoch Spenden dazu eingingen, könnte
auf eine plötzliche Wetterverschlechterung am 28.12. hinweisen.
Veranstalter
Diese Rennen werden wohl keine originäre kirchliche Veranstaltungen
gewesen, sondern nur anlässlich des früher groß gefeierten
Tags der Unschuldigen Kinder veranstaltet worden sein. Aber die Tatsache,
dass die Einnahmen und Ausgaben in den Kirchenrechnungen auftauchen, legt
doch eine enge Verbindung mit dem kirchlichen Bereich nahe. Der frühere
Freisinger Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge bezeichnete sie sogar als
"kultische Rennen", denen "durch die Ausstellung der Preise
am Altar des Patrons sakrale Bedeutung verliehen worden sei" (so
auch Brauchtumsforscher Dr.Georg Schierghofer).
Rennorte
Solche Rennen wurden auch in anderen Orten abgehalten. Beliebte Renntage
waren der 26.12 (Stefanitag), der 28.12. (Kindltag), der 31.12. (Silvester)
und der 20.1.(Sebastianitag). Der
frühere Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge hat 20 Orte im Gebiet der
Landgerichte Dachau und Kranzberg aufgezählt, in denen solche Rennen
stattfanden (darin ist Amperpettenbach irrtümlich als Langenpettenbach
bezeichnet). Gerhard Hanke berichtet von Rennen in Dachau: 1652
10.bis 15.Febr; 1653 nach 22.Febr.; 1660,1661 und später nach dem
Sonntag vor Lichtmess "wie allzeit"; 1664 am 21.Jan.; Indersdorf:
1676 u. 1677 am Sebastianitag=20.1.; 1690: in Indersdorf und Fahrenzhausen.
Es
handelte sich somit um einen allseits beliebten Brauch im sonst ereignisarmen
Winter, in dem Mensch und Tier auch genügend Zeit hatten. In größeren
Orten wurden Rennen aber auch an Ostern und Pfingsten und anderen Festen
abgehalten. Manchmal gab es auch mehrere Rennen, eines über eine
kurze und eines über eine lange Strecke. Neben Pferderennen gab es
örtlich auch Rennen zu Fuß (Renneth und Lauffeth); hier in
Amperpettenbach wohl nicht.
Wie
verlief der Renntag ?
Dies erfahren
wir von den Kirchenrechnungen in Amperpettenbach nur unvollständig;
doch die Berichte der anderen bereits genannten Pfarreien ergeben zusammen
ein Mosaikbild, aus dem sich das Geschehen, das wohl überall ähnlich
ablief, erkennen lässt.
Zunächst
wurde in der Kirche ein Hochamt gehalten. Dann
schütteten die Renn-Teilnehmer als eine Art Startgebühr Getreide
vor den Altar; dabei wurden Ross und Reiter vom Pfarrer gesegnet. Das
Getreide verkaufte die Kirche (u.a. an den Wirt, "an der Schranen
zu München") und nahm dadurch Geld ein. So
z.B. 1700 in Amperpettenach, wo man das geopferte Getreide dem Wirt für
1 1/2 Gulden überließ. Gleiches geschah mit geopferten Gänsen
(s.o. 1715, "aus einer geopferten Ganns 24 Kreuzer").
Manchmal wurden die Spenden auch für einen kleinen Geldbetrag Bedürftigen
überlassen (so z.B. 1710 in Kleininzemoos). Nach
dem Opfer erhielten die Teilnehmer ein Bildchen mit dem Pferdesegen und
der Abbildung des Patrons.
Dann
jagten die Teilnehmer auf ihren Rössern über eine Wiese und
umrundeten einen in die Erde gesteckten Stab. Als Rennmeister fungierte
der Ortsgeistliche.
Preise
für die Sieger
Der Sieger des Rennens erhielt
als Preis (="Vortl")
häufig ein großes rotes Tuch (s.o. 1654: "rott Tuech"),
ein großes Stück eines scharlachroten, wertvollen, englischen
Tuches, das damals neben dem ideellen auch einen hohen wirtschaftlichen
Wert hatte; denn der rote Farbstoff war teuer. Hanke beziffert den Wert
des Tuchs auf 13 bis 16 Gulden.
Was die Zweit- und Drittplazierten erhielten, ist in Amperpettenbach nicht
überliefert, aber 1654 ist neben dem roten Tuch von "anderes
zum Vorttl" die Rede, d.h. es gab noch weitere Preise. Von anderen
Orten ist bekannt, dass weitere Stoffe, sogar Gebäck oder kleine
Schweine als weitere Preise dienten (sog.Rennsäue) im Wert von 30
bis 45 Kreuzern. In Hohenbachern
erhielt der Letzte als Trostpreis einen Saukopf.
Wie lange gab es
solche Rennen ?
Für Amperpettenbach kann ich das nicht sagen, weil die mir vorliegenden
Kirchenrechnungen im Jahr 1715 enden.
Von anderen Orten wissen wir, dass die Verbote von kirchlichen Festen
im Rahmen der Aufklärung oder der Säkularisation, die die Pferderennen
aus dem kirchlichen in den säkularen Bereich verschoben haben, also
vom Pfarrer zum Wirt. Nur in einzelnen Dörfern wie z.B. in Hohenbachern
bei Freising pflegte man sie noch einige Jahrzehnte länger als kirchliche
Rennen; von hier stammt auch der detaillierteste Bericht. In München
endete das kirchlichen Rennen an Jakobi im Jahr 1786. Erst 1810, zur Hochzeit
des späteren König Ludwig I. wurde es als weltliches Rennenn
wieder aufgenommen; daraus entstand das Oktoberfest. Pferderennen anlässlich
von Hochzeitsfeiern oder Kirchweihfesten waren in vielen Ortschaften bis
weit in das 20.Jh hinein abgehalten worden.
Interessant ist die Begründung für das Verbot der "Kirchenrennen"
in Nandlstadt durch das Amtsgericht Moosburg im Jahr 1807:
Danach lasse es sich "nicht mit dem reinen Christenthum, noch mit
positiven Religionslehren" oder "mit den Staatsgrundsätzen
der Kirchenpolizey" vereinbaren, "daß der für das
Heiligthum geweyhte Tempel Gottes durch profane Vorbereitungen zu einem
öffentlichen Pferderennen und durch das Ausstellen jener für
ein profanes Volksspiel bestimmten Insignien von Halstüchern, Fähnleins
mit großen Thalern entweihet, oder wohl gar in diesen geheiligten
Orten der Andacht und Herzenserhebung zu Gott, ein zum abergläubischen
Genuß gebackenes Brod mit Zettelchen markirt, dem Volke ausgetheilt
werde".
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