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Wandgemälde in der Kirche von Hebertshausen

An der Südwand des Kirchenschiffs in St.Georg sind Fragmente von Wandgemälden aus romanischer Zeit erhalten. Sie nehmen die gesamte Südwand östlich des Portals ein. Die Gemälde sind von überragender kunsthistorischer Bedeutung.


Links: König mit gezogenem Schwert Mitte: Paradies mit Abraham, Larzarus, Isaak u. Jakob.
Rechts: Hölle

Leider ist der Erhaltungszustand der Bilder sehr schlecht. Meist sind nur die untersten Malschichten (Maluntergrund) und ockerfarbigen Vorzeichnungen erhalten, die zudem noch durch zahlreiche Hacklöcher von späteren Überputzungen beeinträchtigt sind. Dies erschwert die Deutung der Gemälde. Auch die Vergrößerung der Fenster in späteren Jahrhunderten haben Schäden verursacht. Trotz des stark fragmentierten Zustandes zeichnen sich die Wandbilder "durch beachtliche formale Qualität und kunsttechnische Fähigkeit aus". 55)

Wahrscheinlich handelt es sich um drei thematisch unterschiedliche Bildfelder. Durch die später eingebauten große Fenster werden sie für uns in drei willkürlich getrennt Fragmente unterteilt; die tatsächlichen Bildränder sind deshalb nur schwierig zu finden. Zudem ist man bei allen Baumaßnahmen in den vergangenen 900 Jahren nicht besonders pfleglich mit den (wohl schon bald übermalten bzw. überputzten) Gemälden umgegangen.

Die Gemälde wurden 1979 vom Kirchenmaler Konrad Wiedemann aus Baar-Ebenhausen freigelegt und konserviert. Im Rahmen der Renovierung der Kirche 2016/17 haben der Kunsthistoriker Dr. Gerald Dobler und der Restaurator Thomas Hacklberger die Wandgemälde wissenschaftlich untersucht und technisch und ikonographisch beschrieben. Die Gemälde sind wegen der Seltenheit des dargestellten Themas und des unrestaurierten Zustands ein hochrangiges Denkmal der romanischen Kunst im süddeutschen Raum.

Entstehungszeit
Die Gemälde entstanden in der ersten Hälfte des 12.Jh. Es wird davon ausgegangen, dass die Malereien unter Herzog Konrad II. von Meranien (= Graf Konrad III. von Dachau gest.1182) nach 1153 entstanden sind. 55) Für diese Zeit spricht auch die Technik, mit der die Südmauer gebaut wurde. Es handelte sich um Sichtmauerwerk, das aus kleinformatigen, unregelmäßigen Tuffsteinquadern errichtet und durch helle, mit der Kelle fein gestrichene Fugen optisch gegliedert und hervorgehoben wurde. Diese Wand dürfte sehr rasch bemalt worden sein, weil zwischen Mauer und der untersten Malschicht keine der sonst typischen Verschmutzungen festgestellt werden konnten.
Die Entstehungszeit wird zum einen "durch die schlanken Proportionen der Figuren und die noch stark ornamentalen Faltenbildungen, zum anderen aber auch durch das Bildthema, die Darstellung des Himmels bzw. des Paradieses durch die drei Patriarchen bestätigt. Als um 1200 die Apsis der Burgkapelle abgetragen und der Chorraum -etwas nach Westen versetzt- neu errichtet wurde 55) , hat dies die schon Wandgemälde in ihrem östlichen Teil beschädigt. Wahrscheinlich wurden sie schon damals übertüncht.

Aufbau der Gemälde
Bei den Gemälden handelt es sich nicht um typische Fresken, die auf frisch auf den Putz aufgetragen werden , sondern um Kalkmalereien (al secco). Das ist Malerei auf einer reinen, schon abgebundenen Putzmörtelwand.
Bei dieser Malerei dient Leim, Milch oder Eiweiß als Bindemittel. Nur die Vorzeichnung wird in der Regel auf den frischen Verputz aufgetragen. Deshalb ist dieser Teil -wie hier in Hebertshausen- länger erhalten. Kalkmalerei war im Mittelalter nördlich der Alpen die verbreitetste Wandmalereitechnik (z.B. auch in der Petersbergbasilika).

- Die unterste Malschicht besteht aus einem 1 bis 1,5 cm starken, feinkörnigen Kalkputz mit glatter Oberfläche
- darauf liegt eine Kalktünche
- auf dieser eine weitere Kalktünche bzw. -schlämme "mit kräftigem Pinselduktus".
- darüber die erste Vorzeichnung der Gemälde in Ockerfarbe, die mit breiten Pinselstrichen aufgetragen wurde
- die zweite Vorzeichnung mit dünneren Strichen in Rot-Ocker.
- darauf die Malschicht.

Die Hautfärbung der Figuren wurde durchgehend mit hellem Ocker erstellt. Teile davon waren plastisch hervorgehoben (z.B. Augenbrauen, Finger, Zehen, Engelsflügel).

Der Kunsthistoriker Dr. Dobler hat eine schematische Darstellung der Wandmalereien in der Georgskirche erstellt, die -besser als Fotos- einen Überblick über die erhaltenen malerischen Strukturen, die Grundfarben, die Hintergründe, die Personen und die Heiligenscheine sowie die Lage der romanischen Fenster bieten.
Links: ein König
Mitte: der Himmel mit den drei Patriarchen
Rechts: Die Hölle. Ein Engel zieht aneinanderhängende Personen aus den Flammen.

 

Einzelbeschreibung der drei Fragmente

Mittleres Gemälde: Darstellung des Himmels

        
Abraham mit Lazarus im Schoß

Das mittlere Gemäldefragment mit der Grundfarbe Rot soll den Himmel bzw. das Paradies darstellen. Als Symbole dienen nicht Gottvater, die Dreifaltigkeit oder der Pantokrator, sondern die thronenden Patriarchen bzw. Erzväter Abraham, Isaak und Jakob. Dabei hält Abraham die kleine Figur des Lazarus in seinem Schoß.

Diese Darstellung hat ihren künstlerischen Ursprung im Byzanz des 9.Jh. und war bis zum 13.Jh. verbreitet.
Biblisch gründet sie auf dem Lukasevangelium (16, 19-31), in dem die Geschichte vom armen Lazarus und dem reichen Mann erzählt wird: Als der Reiche starb und in die Hölle kam, sah er 'von weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß'. Daraus ist die Redewendung "so sicher wie in Abrahams Schoß" entstanden, die noch heute verbreitet ist. Das Motiv ist sehr selten, nördlich der Alpen findet es sich vielleicht nur ein Dutzend Mal.

Im Hebertshausener Gemälde sitzt Abraham in der Mitte des runden Medaillons und hält den Lazarus, der seine Arme erhoben hat, am Bauch fest.
Isaak und Jakob sitzen links und rechts von Abraham. Sie strecken ihre mit Tüchern verhüllten Arme zwei Engeln außerhalb des Medaillons entgegen, um weitere Seelen in Empfang zu nehmen.
Unter dem Medaillon ziehen sich mehrere Bänder durch das Gemälde bis hinüber in das linke Bild mit dem König.
Was darunter dargestellt ist, lässt sich nicht mehr feststellen.

 

Linkes Gemälde: König mit gezogenem Schwert

In diesem Fragment wird vor einem ursprünglich blauem Hintergrund ein König (gekrönte Person) mit erhobenem Schwert gezeigt. Seine Haare sind kurz geschnitten, sein kleiner Spitzbart weist auf einen Mann jüngeren oder mittleren Alters hin. Seine Gesichtszüge sind nicht mehr zu erkennen.

Die Krone ist mit Edelsteinen verziert.

Bekleidet ist er in ein bis zu den Oberschenkeln reichendes Untergewand mit engen Ärmeln das von einem mit Drei- und Vierpassförmigen Muster versehen ist. Darüber trägt er einen über der rechten Schulter geschlossenen Mantel.

Der König sitzt auf einem gebogenen Band, das sich möglicherweise im mittleren Gemälde fortsetzt.

Das Band und die rechte Hand des Königs sind durch die später eingefügte Ostwand des Kirchenschiffs (Chorbogen) abgeschnitten. Vor 900 Jahren lag diese Ostwand 12 cm weiter vorne. Das Band endete dort in einer geraden Kante.

Was bedeutet diese Darstellung?

Eine sichere Deutung gibt es nicht.
. Für einen Zusammenhang mit der Paradiesdarstellung im mittleren Teil könnte sprechen, dass der Engel neben dem Medaillon eine Seele von der linken Seite bringt; es könnte sich um eine Märtyrerseele handeln. Aber ein König als Henker ist kaum vorstellbar.
. Möglich wäre auch eine Darstellung als Abraham als Krieger und Vorfahr Christi. Doch dafür fehlt der Heiligenschein.
. Vielleicht steht dieses Bild auch in keinem Bezug zum Mittelteil.
Auffällig ist jedenfalls, dass die Figur des Königs deutlich größer als alle anderen Figuren auf den Wandgemälden dargestellt ist.
. Eine weitere, wahrscheinlichere Deutung orientiert sich an der Krone.
Da "sie mit ihren Kreuzblumen relativ genau den zeitgenössischen Abbildungen der Reichskrone entspricht, könnte es sich möglicherweise um eine Darstellung von Kaiser Friedrich Barbarossa handeln, dem der potenzielle Auftraggeber Herzog Konrad I. von Meranien seine Rangerhöhung verdankte", schreibt das Ressort Bauwesen und Kunst des Ordinariats im Jahr 2020.
55)    "Damit wäre dieses Bild wie oftmals in dieser Zeit ein wichtigesZeugnis der dynastischen Legitimation".

 

Rechtes Fresko: Höllendarstellung

Im unteren Teil des Gemäldes sind die Oberkörper von fünf nackten Menschen zu erkennen, die ihre Arme hilfesuchend ausstrecken. Ziel könnten die im Mittelteil abgebildeten drei Patriarchen sein, wo Isaak und Jakob -wie oben erwähnt- von zwei Engeln Seelen in Empfang nehmen.

Die oberste Gestalt hat ihr Ziel wohl schon erreicht, denn ein herabschwebender Engel ergreift ihren Arm, um sie aus der Hölle zu ziehen.

Die in diesem Gemälde abgebil-deten Menschen stellen dar
(von oben nach unten):
- ein Mann mit kurzen Haaren
   und langem Bart
- ein Mann mit kurzen Haaren
- eine Frau mit langen Haaren
- ein Bischof mit Mitra
- ein Kleriker oder Mönch mit
   Tonsur.
Offenbar sollen die Typen einen Querschnitt durch die gesamte sündige Menschheit darstellen, die sich Rettung und Erlösung verspricht.
Die Existenz des Fegefeuers war damals in der kath.Theologie noch nicht verankert.


Rechts von den Menschen ist wieder das Band zu sehen, das sich durch alle
drei Gemälde zieht und hier im Bild wohl aus dem Inneren der Hölle kommt.

Hans Schertl


Quelle:
Gerald Dobler/Thomas Hacklberger, Ein byzantinisches Himmelsbild, Denkmalpflege Informationen, Nr. 166-2017

7 Bilder: G. Dobler (4), Schertl (3)