zur Landkreiskarte                                          Kirchen in der Gem.Hilg.-Tandern


Dreifaltigkeitskapelle in NIEDERDORF

Beschreibung

Der Weiler Niederdorf und der Nachbarort Oberdorf bildeten bis 1400 zusammen die Ortschaft „Rutigenried". Erst seit dem 15. Jahrhundert fiel diese in die beiden Ortsteile Ober- und Niederdorf auseinander.
In einer Tauschurkunde des Tanderner Ortsherrn Arnold vom Jahr 1220 wurde die Ortschaft erstmals als "Ruterit" erwähnt. Die Altomünsterer nannten es um 1260 "Rueteried", die Indersdorfer schrieben 1330 in das Grundbuch "Rutingenried" und die Augsburger notierten 1391 in ihrem Besitzverzeichnis, sie hätten zwei Besitztümer in "Rüttinried".

Niederdorf allein wurde 1495 in einem Dokument des Klosters Indersdorf genannt (Nyderdorff).

Die sieben Anwesen von 1752 in Niederdorf verteilten sich an vier geistliche Grundherren: Kloster Indersdorf (1), Kloster Kühbach (1), Kirche in Tandern (4) und Kirche in Hilgertshausen (1). Gerichtlich unterstanden die Orte dem Landrichter in Aichach.
11)

Kapelle

Die erste Kapelle in Niederdorf wurde von einem Herrn Erhart um das Jahr 1840 erbaut. Sie war dem Hl. Wendelin geweiht. 
1938 wurde diese Kapelle noch gründlich renoviert.
 

20 Jahre später, am 16. Juli 1958, raste ein Orkan mit bis zu 200 km/h über die Gegend, begleitet von einem halbstündigen Hagel-Wolkenbruch. Kein Haus in Ober- und Niederdorf blieb heil. Sogar eine Tote war zu beklagen. Auch die Kapelle wurde so stark beschädigt, dass sie abgetragen werden musste. 04), 06)
..mehr dazu finden Sie hier...

Nicht ganz so schlimm waren die Unwetter, die gut 110 Jahre vorher über Tandern und Umgebung zogen. In den Jahren 1844, 1845 und 1846 richteten Hagelschläge große Schäden an und stürzten die Menschen in große Not.
Einen Zeitungsbericht darüber aus dem Jahr 1846 können Sie hier lesen...


Aus dem Jahr 1872 gibt es einen Bericht über walnussgroße Hagelkörner...siehe hier..

Im Jahre 1965 wurde an gleicher Stelle von der Familie Kreitmeir die jetzige Kapelle  mit dreiseitigem Chorabschluss und spitzhelmigem Dachreiter erbaut und von H.H. Pfarrer Pürner der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht.

Im Turm hängen zwei Glöckchen.


Hinter dem schönen trapezförmigen Holzaltar ragt ein Kruzifix mit darunter stehender Mater dolorosa (schmerzhafter Muttergottes) empor.

Zu beiden Seiten des Altars sind an der Wand holzgeschnitzte Figuren der Heiligen
Mutter Anna mit dem Jesuskind (links) und
St.Leonhard (rechts) angebracht
Die beiden Heiligen sind die Namenspatronen des Kapellenerbauers und seiner Gattin.

Feuerwehfahne

 

In der Kapelle befindet sich die über 100 Jahre alte Fahne (Standarte) der Feuerwehr.

Jedes Jahr findet im Juli in der Kapelle zur Erinnerung an das schwere Unwetter von 1958 ein Gottesdienst statt.

Der Sturm hatte übrigens auch die Kirche in Thalhausen schwer beschädigt. Das Steinkreuz des Turmes stürzte auf das Kirchendach herab. Auf dem Friedhof fielen mehrere Grabsteine um.

Am Eingang die Figur des hl. Wendelin, des früheren Patrons der Kapelle, mit Hirtenstab und umgebundener Hirtenflasche.
  Hinweis: Wendelin (555-617) ein schottischer Königssohn, war Schafhirte bei einem Edelmann in der Nähe von Trier. Der kontrollierte ihn und war erzürnt, dass Wendelin sich so weit entfernt hatte und ihm das zum Verzehr bestimmte Tier nicht rechtzeitig werde bringen können. Doch als der Erboste in seinen Hof zurückkam, war Wendelin bereits dort. Tief erschrocken, bat der Herr Wendelin um Vergebung, baute ihm eine Zelle in der Nähe des benachbarten Klosters Tholey dessen Mönche Wendelin zum Nachfolger ihres verstorbenen Abtes wählten, ohne dass Wendelin je Priester geworden wäre.

St.Wendelin

Auszug aus dem Mirakelbuch von Inchenhofen 09)
Im Mirakelbuch, dem Verzeichnis über die Wunderheilungen des Leonhard-Wallfahrtsorts
Inchenhofen ist eine Familie aus dem Ort "Niderdorff" genannt. Da Orte aus anderen Gegenden als dem Landkreis Aichach in der Regel mit dem Zusatz des Landkreisnamens bezeichnet werden, könnte es sich bei dem im Mirakelbuch genannten Ort um unser Niederdorf /Gemeinde Hilgertshausen/Tandern handeln. Es geht um ein dramatisches Geschehen im Jahr 1652 mit Entführung des Sohnes, Erpressung der Familie und Horror-Drohungen/Meldungen. Nach Anrufung von St.Leonhard sei so heißt es- der Sohn neun Tage später wider jedermanns Erwarten wohlbehalten zur Familie zurückgekehrt. Der Eintrag lautet:
  "1652. XIV. Anna Riederin von Niderdorff Sohn war von den Straßraubern im Wald ertapt, aufgefangen und mitgenommen. So der Mutter nit geringen Schmerzen verursachte, den das gemaine geschrey vermehret in dem under menniglich aufgesprengt wurd es wär dem Knaben das Herz herauß geschnitten und die rechte Hand von den Raubern abgehawen worden. In disem Herzenlaid hat solchen die betrübte Mutter zu S.Leonhard mit 2 Kreuzern in Stock und auf der Cantzel verkünden zulassen verlobt. Ist darauff bald wider jedermans verhoffen nach 9 tägiger anhaltung frey frisch und gesund haimb, alsdann mit der Mutter hieher kommen und Gott in seinem Heiligen Lob, Preyß und Danck gesprochen."


Denkmalschutz
Die Kapelle stand früher unter Denkmalschutz
und war in der Denkmalliste für Hilgertshausen-Tandern beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege aufgeführt. 10) Doch inzwischen ist sie dort nicht mehr eingetragen.

Hans Schertl

Quellen:
01)
Festschrift Frwll.Feuerwehr Niederdorf
02) Fr. A.Kreitmeir, 2002
03) Wilhelm Liebhart in Hilgertshausen-Tandern, Bilder aus vergangenen Tagen, 2003
04) Dachauer Nachrichten vom 17.7.2008 (Sturm)
05) Wilhelm Liebhart in "St.Ulrich und Afra zu Augsburg, Historischer Atlas von Bayern, Schwaben Reihe II
06) Orkan forderte Todesopfer - Aichacher Zeitung vom 16.7.2008 (Sturm)
07) Hagelschläge in der Gegend von Tandern 1844-1846, Augsburger Postzeitung 13.07.1846
08) Hagelunwetter am 5.Mai 1872 - Tag- und Anzeigblatt für Stadt und Land 14.05.1872
09) Dallmayr, Martin, "Synopsis Miraculorvm Et Beneficiorum Seu Vincula Charitatis, Lieb-Bänder vnd Ketten-Glider, Welche
      berührt, und ubernatürlich an sich gezogen der wunderthätige Magnet, Abbt und Beichtiger S.Leonardus, durch dessen
      himmlische Kraft bey dem ferr. und weltberümbten Gottshaus zu Inchenhofen in ObermBayrn, von vier hundert Jahren her,
      über 3000 Wunderzaichen und Gutthaten geschehen" MDZ
10) Denkmalliste für Hilgertshausen-Tandern beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege
11) Internetseite der Gemeinde Hilgertshausen/Tandern, 2023 (Grundbesitzer MA)


5 Bilder: Hans Schertl

Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

8.9.2023


Orkan forderte Todesopfer
Aichacher Zeitung vom 16.7.2008

Orkan forderte Todesopfer Aichach/Oberdorf – Davon erzählen sich die Menschen noch heute:
Vor 50 Jahren wütete im südöstlichen Kreisgebiet ein Orkan, der 20 Millionen Mark Schaden hinterließ.
Im Zentrum der Katastrophe: Ober- und Niederdorf.

Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet Es war der 16. Juli 1958, als gegen 16 Uhr die bisher schwerste Unwetterkatastrophe über große Teile des Altlandkreises Aichach hinwegzog und eine Schneise der Verwüstung vor allem im südöstlichen Teil des Landkreises zurückließ. Der Schaden an den Gebäuden, der Infrastruktur und vor allem in den Wäldern belief sich nach amtlichen Schätzungen auf rund zwanzig Millionen Mark.

Oberdorf, Niederdorf, Tandern und Randelsried mit ihren Weilern und Einöden lagen im Zentrum dieses Orkans, der mit bis zu 200 Stundenkilometern über das Land fegte und von einem halbstündigen Hagel- Wolkenbruch begleitet wurde. Rasend schnell näherte sich von Südwesten die unheimlich schwarzgelbe Wolkenwand, es wurde plötzlich so finster, dass später von einer Weltuntergangsstimmung gesprochen wurde. Im Zentrum des Orkans, in den Ortschaften Oberdorf und Niederdorf, blieb kein Anwesen ohne schwere Zerstörungen. Viele Gebäude stürzten in sich zusammen wie Kartenhäuschen. Dächer wurden abgedeckt, Dachstühle weggefegt und Bäume wie Streichhölzer umgeknickt. Menschen, die vom Orkan im Freien überrascht wurden, wurden zu Boden geschleudert und konnten sich nicht mehr erheben.
In Oberdorf musste auch ein Todesopfer beklagt werden. Eine 58-jährige Frau hatte in einem Nachbarhof in einem Schuppen Unterschlupf gesucht, der unter der Gewalt des Sturms zusammenbrach. Die Frau konnte nur noch tot geborgen werden, vermutlich erlag sie einem Herzversagen. Als die Menschen nach dem Orkan ihre Häuser wieder verlassen konnten, standen sie vor einem gewaltigen Trümmerfeld. Ein Augenzeuge berichtete später: Die Bombardierung von Augsburg, die er im Zweiten Weltkrieg hatte erleben müssen, sei vergleichbar gewesen mit der Katastrophe, die sich in Oberdorf abspielte. Ein weiterer Beobachter meinte, die Ortschaften sähen schlimmer aus als nach einem 14-tägigen Artilleriebeschuss. Viele weitere Dörfer machten einen ähnlichen Eindruck. Rund hundert Gehöfte waren insgesamt betroffen.
Immense Schäden traten auch in der Infrastruktur auf. Alle Stromkabel und Telefonleitungen waren abgerissen, die Straßen von Trümmern übersäht und von umgestürzten Bäumen blockiert. Feuerwehren und viele Einsatzkräfte waren bis zum Umfallen gefordert.
Der damalige Kreisbrandinspektor Paulus Glaswinkler, der während des Unwetters zufällig in Tandern weilte, alarmierte sofort die Aichacher Feuerwehr für eine großangelegte Hilfsaktion. Auch die Bautrupps der Isar-Amperwerke waren voll im Einsatz. Die Bauern versuchten, ihr Vieh unter den Trümmern zu retten, Viehställe waren nur noch ein Trümmerfeld.
Volle zäei Stunden arbüiteten die Männer der Aichacher Feuerwehr, um nur die Straßen zwischen Höfarten und Tandern freizumachen. Mehrere Aichacher Wehrmänner erlitten bei diesem Einsatz Verletzungen.

Das Chaos war unbeschreiblich, teilweise wurden die Schäden erst später offenkundig. Einen beachtlichen Schaden hinterließ der Orkan in den Wäldern der Gegend, die Bäume lagen kreuz und quer umgeknickt und gesplittert am Boden, Waldstücke mussten abgeholzt werden, 100 000 Festmeter Holz waren vernichtet.
Das schwere Unwetter machte auch vor den Kapellen nicht Halt, die Niederdorfer Kapelle wurde so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden musste. 1965 wurde an gleicher Stelle von der Familie Kreitmeir eine neue Kapelle zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit errichtet. Im Inneren erinnert eine Gedenktafel an das große Unwetter. Bei der Wieskapelle in Tandern wurde der Turm abgerissen, die Kapellen in Schmarnzell und Rudersberg waren ebenfalls betroffen. In Thalhausen stürzte ein Steinkreuz vom Kirchdach, auf dem Friedhof fielen mehrere Grabsteine um.
Bayerns damaliger Innenminister Otto Bezold und Regierungspräsident Dr. Mang kamen zusammen mit dem Landrat Max Glötzl in das Katastrophengebiet. Der Landkreis gab eine Soforthilfe von 100 000 Mark, außerdem wurde ein Katastrophenfond eingerichtet. Das damalige Chaos lockte natürlich auch viele Schaulustige aus der weiten Umgebung an. Die Zufahrtsstraßen waren von den Neugierigen oft zugestellt, so dass es zu Behinderungen für die Hilfskräfte kam. Das Landratsamt ließ daraufhin Straßen für Privatfahrzeuge sperren.

Wegen der ungeheuren Schäden und Verwüstungen wurden Pioniereinheiten aus München und Ingolstadt sowie Einheiten der Bereitschaftspolizei aus Eichstätt und Würzburg in das Aichacher Kreisgebiet abgestellt. Da die Wasserversorgung gefährdet war, übernahmen zunächst Tankfahrzeuge der Feuerwehren Aichach und Fürstenfeldbruck die Wasserversorgung. In den ersten Tagen nach der Katastrophe hatten Funkwagen des Präsidiums der Bayerischen Landespolizei notdürftig die Nachrichtenverbindungen aufrechterhalten.

In den folgenden Monaten wurde ein Kraftakt ohnegleichen für die Aufbau- und Aufräumungsarbeiten erforderlich, alle Handwerksbetriebe der Umgebung mobilisierten sämtliche Kräfte, so dass noch vor Wintereinbruch weitgehend die Häuser und Stallungen wieder instand gesetzt oder zumindest notdürftig nutzbar gemacht wurden. Am Freitag, 18. Juli, findet in der Kapelle in Niederdorf ein Gottesdienst zum 50. Gedächtnis an die Naturkatastrophe statt.


 

 

 

Hagelschläge in der Gegend von Tandern 1844-1846
Augsburger Postzeitung 13.07.1846
07)

 

Hagelunwetter am 5.Mai 1872
Tag- und Anzeigblatt für Stadt und Land 14.05.1872
08)