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Pfarrvisitationen in Hirtlbach

Visitationsberichte
1560 und 1584

Die Visitationsberichte enthalten neben den Feststellungen zu den theologischen Kenntnissen, der Amtsführung und dem Einkommen der Priester auch Bemerkungen zur Einhaltung des Zölibats. Dass damals die Pfarrer häufig Lebensgefährtinnen und Kinder hatten, wird heute teils schockiert, teils belustigt zur Kenntnis genommen. Doch man sollte für die damalige Zeit nicht die heutigen Maßstäbe anlegen. Zwar wurde das Zölibat 1139 für die gesamte kath.Kirche erlassen, doch bis zum 30jährigen Krieg war es jedenfalls bei uns üblich, dass die Pfarrer mit einer Frau zusammenlebten und Kinder hatten. Dies wurde vom Volk anerkannt und vom Bischof (der selbst Konkubinen hatte) toleriert. Erst durch die Reformation, die den evang.Priestern das Heiraten erlaubte, änderte sich die Einstellung. Möglicherweise trug auch die radikale Klimaverschlechterung um 1560 dazu bei, die Unmoral der Pfarrer stärker zu verfolgen. Denn man glaubte, dass sie eine Strafe des beleidigten Gottes für das Übermaß an Sündhaftigkeit auf Erden sei. Als Hauptsünden wurden Hexerei, Blasphemie, sexuelle Ausschweifungen und eben auch das Priesterkonkubinat ausgemacht. Katastrophen aller Art wurden als Folge menschlicher Verfehlungen betrachtet. Wolfgang Behringer spricht von Sündenökonomie, weil damals versucht wurde, "die Strafen Gottes für die Sünden der Menschen in rechnerische Kalkulationen zu transformieren". Die katholischen wie evangelischen Theologen gingen von einem kollektiven Menschheits-Sündenkonto aus, d.h., dass Gott eine bestimmte Menge von Sünden tolerierte.

Visitationsbericht von 1560 im Diözesanarchiv München
Die linke Hälfte der Seiten wurde für Hinweise
(z.B. von Vorgesetzten) frei gelassen

Wurde das Konto aber überzogen, folgte die Strafe Gottes und sie traf nicht nur das Individuum, sondern die ganze Gesellschaft. Deshalb ging man in der 2.Hälfte des 16.Jh gegen jegliche Unmoral vor, verbot die Prostitution, das Fensterln und eben auch das Priesterkonkubinat.
Aber nicht die Bischöfe, sondern die bayerischen Herzöge (Albrecht V. u. Wilhelm V.) setzten sich für die Einhaltung des Zölibats ein und sorgten sich um die Erhaltung des rechten Glaubens. Die Visitation 1560 war noch voll der Sorge um den rechten Glauben. Das Zölibat wurde nur nebenbei überprüft. 25 Jahre später, bei der nur von den Herzögen durchgeführten Visitation von 1584, wurden die Priesterfrauen regelrecht gejagt.
Nach dem 1583 vom Papst erlassenen Mandat "Contra Clericos Concubinarios", waren die Landesherren befugt, nach den "Beischläferinnen" der Pfarrer zu fahnden und sie aus den Pfarrhäusern zu vertreiben.

Im Visitationsbericht von 1560 werden die Ergebnisse Pfarrüberprüfungen in drei Teilen dargestellt: nach der Befragung des Pfarrers, nach der des Kirchenpflegers und nach Augenscheinnahme der Visitatoren. Ich habe im Folgenden die Ergebnisse nach Themenbereichen zusammengefasst um Wiederholungen zu vermeiden und Ihnen eine bessere Übersicht zu geben.

Eine Aufstellung über die Größe der Pfarreien im Dachauer Land im Jahr 1560 finden Sie hier...

 


Bericht über die Visitation im Jahr 1560
Bericht in heutigem Deutsch
[in eckigen Klammern Originaltext-Auszüge]
(in runden Klammern mit Kursivschrift: Hinweise und Erklärungen von H.Schertl)


Pfarrei:
- die Pfarrei hat ca. 200 Communicanten
- die Pfarrei hat keinen Kaplan oder Kooperator [sey alwegen nur ain priester alda gewest]
- das Einkommen der Pfarrei beträgt 80 Gulden; es muss nichts abgegeben werden
- Lehensherr ist der Hofmarkherr Oswald von Eckh von Eisenhofen
- hat ein eigenes Mesnerhaus; der Mesner muss die Uhr aufziehen und läuten, das er auch fleißig erledigt.
- von den Kirchengütern wurde nichts verkauft.
- die Kirche und der Pfarrhof sind nicht reparaturbedürftig [seind nit paufellig]

Kirche:
- Die Kirche ist mit aller Zier versehen
- es besteht kein Mangel an Altären, Altartüchern und Fahnen
- Vorhanden sind auch : 2 Kelche, 2 Corporale, 3 Messbücher, 1 Spezial, ein Buch mit Beerdigungsritualen, ein Psalmenbuch
   
und ein Gesangbuch, fünf schlechte Ornät und eine Monstranz aus Messing. Die Hostien, das Taufwasser und die Öle werden
  
rein aufbewahrt [Sacramentum eucharistiae et sacri liquores pure tractantur]; vor dem Tabernakel brennt ein Ewiges Licht   
   [Sacramentsheusel ist wol beschlossen und beleucht]

Pfarrer: Pfarrer in Hirtlbach ist Eustachius Basler. Er ist auch Dekan. Geboren in Hohenwart. Hat Schulen in Hohenwart, Ingolstadt und Niernberg besucht. Im 30.Jahr Priester. Ordiniert wurde er (1530/31) in Augsburg. Er hat den Visitatoren seine Formata (= seine Weiheurkunde) und seine Gebetbücher vorgelegt (Gebetbuch war ein Indiz über die Glaubensrichtung).
(Interessant sind die Aussagen über sein Wirken als Pfarrer vor allem deshalb, weil an sich übliche Tätigkeiten damals nicht selbstverständlich waren)
- Er predigt an allen Feiertagen und zwar aus den (Predigtbüchern:) Fero, Nausea, Hofmaistero sowie aus alten Schriften.
- Er hält er keine (damals üblichen) Predigten am Sonntag-Nachmittag.
- Er besitzt keinen Katechismus [Hat kain cathechismus].
- Er lässt das Kirchenvolk nach (katholischer) christlicher Ordnung beten.
- Er weist die Leute auf Feier-und Fasttage hin [Verkhundt feier und vasstäg].
- Er betet für die Verstorbenen [Pitt fur die abgestorbenen].
- Die nimmt zweimal im Jahr die Beichte ab und erteilt die Absolution auf katholische Weise. Wegen seines Alters hört er aber
   manchmal die Beichte im Pfarrhaus; sonst so viel wie möglich in der Kirche. [Nachdem er ain alter schwacher mann, er zu
   zeiten im pfarrhaus peicht, sonst, sovil möglich, in der kirchen]
- Er konnte bei der Befragung durch die Visitatoren gut Auskunft geben über die Messe, über die Zeremonien, die Sakramente
  und alle katholischen Vorschriften.
- Vor zwei Jahren (also 1558) ist in Hirtlbach gefirmt worden [Sey bei 2 jarn bei ime gefirmbt worden].
- die Jahrtagsmessen und die sonstigen Gottesdienste sowie Kreuzgänge werden zur Zufriedenheit der Gläubigen fleißig gehalten

Über das Leben von Pfarrer Basler [de vita]:
- Betet regelmäßig seine Stundengebete [Pet seine horas vleissig]
- Er erhielt die Pfarrstelle nach dem Rücktritt seines Vorgängers
- Er hat eine Haushälterin aber kein Kind [hat ain khechin, kain kind].
- Er ist ein alter und ehrbarer Mann; er führt einen ehrbaren Lebenswandel [Pfarrer ist aines erbern wandels]
- Sein Hobby ist das Lesen [sein exercitium sey lesen]
- er zwingt die Leute nicht zu Spenden für die Seelen der Verstorbenen (Selgerait)

Über das Kirchenvolk [de subditis]
- niemand verlangt die Kommunion unter beiderlei Gestalt [begerts niemant sub utraque]
- die Unterthanen feiern weiter den kath.Gottesdienst
- niemand hat uneheliche Beziehungen
- es gibt keine falschen Prediger [hat sonst niemandt verdechtlichen in der pfarr mit winckhelpredigen oder anderm]
- der Lehensherr Oswald von Eckh weiß nicht so recht, wie er sich in Sachen Religion verhalten soll.
  Immerhin erstellt er die Kirchenrechnung unentgeltlich [von der rechnung nemb der von Eckh nichts]
- die Bauern sind nicht sehr spendenfreudig [die paurn seind lässig mit dem opfer]

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Quellen:

Anton Landersdorfer, Das Bistum Freising in der bayerischen Visitation des Jahres 1560, 1986

Josef Brückl, Zur Durchführung des Zölibats, Amperland 1975/2


 

Bericht über die Pfarrvisitation in Hirtlbach im Jahr 1584/85
durch einen Beamten des herzoglichen Rentmeisters

Dekan Sebastian Reinhard, Pfarrer in Hirtlbach, Bistum Freising, 17 Jahre Pfarrer, Anno 1550 zum Priester geweiht, von Freising ordiniert.
(Die Pfarrei hat ) bei 700 Kommunikanten. Kein Benefizium (Einkommen aus verpachteten Grundstücken) bessert die Pfarr. Er versieht auch die Filiale Eisenhofen.

Bei der Pfarrkirche besteht keine Gottesdienst-Stiftung. Der Pfarrer hält abwechselnd jede Woche zu Hirtlbach bzw. Eisenhofen Messe; dabei kann er keinerlei Mängel feststellen. Er predigt an allen Sonn- und Feiertagen. Furtenpach (der Hofmarksherr) kommt fleißig in die Predigt. Ob und wo Furtenbach kommuniziert, weiß der Dekan nicht.
Die Pfarrei hat keinen pfingsttäglichen Umgang mit dem hochheiligen Sakrament. Ein gehorsames Pfarrvolk, keine Häretiker. Es gibt in der Pfarrei keine Spieler oder Weinsäufer. Der Pfarrhof ist wohlerbaut. Das gemeine Pfarrvolk besucht gar fleißig die Kirche. Es verbleibt bei allen Gottesdiensten. In seiner Pfarrei ist in der Religion niemand ungehorsam.

Die Priester des Dekanats halten in Brüderlichkeit ein Generalkapitel. Der Dekan straft die Laster der Priesterschaft, soweit es ihm gebührt. Aufgrund bischöflicher Mandate hat er, der Dekan, den Priestern auferlegt, sich der Wirtshäuser zu enthalten. Darüber bekam er Feindschaft. (Im Visitationsbericht von Weichs steht über den Dekan Reinhard:) Er lebt beispielhaft. Im Generalkapitel kommen alle Brüder zusammen. Der Dekan straft sie ihrer Laster wegen mit Worten. Er schickt auch wohl einen dem Ordinariat zu. Auf die Frage, ob er einen kenne, der an diese Stelle geschickt wurde, antwortet der Pfarrer, er wisse es nicht.

Der Pfarrer gebietet die Fasten, hält sie auch selbst, soweit es seiner Leibsgebrechlichkeit halber sein kann. Seine Konkubine ist vor 20 Jahren verstorben. Nun hat er eine Dienerin. Sie ist 56 Jahre alt und wassersüchtig.
  Hinweis: Berichte über das mangelnde Einhalten des Zölibats in früheren Jahrhunderten werden heute teils schockiert, teils belustigt zur Kenntnis genommen. Doch man sollte für die damalige Zeit nicht die heutigen Maßstäbe anlegen. Zwar wurde das Zölibat 1139 für die gesamte kath.Kirche erlassen, doch bis zum 30jährigen Krieg war es jedenfalls bei uns üblich, dass die Pfarrer mit einer Frau zusammenlebten und Kinder hatten. Dies wurde vom Volk anerkannt und vom Bischof (der selbst Konkubinen hatte) toleriert. Erst durch die Reformation, die den evang.Priestern das Heiraten erlaubte, änderte sich die Einstellung. Aber nicht die Bischöfe, sondern die bayerischen Herzöge setzten sich für die Einhaltung des Zölibats ein und sorgten sich um die Erhaltung des rechten Glaubens. Nach dem 1583 vom Papst erlassenen Mandat "Contra Clericos Concubinarios", waren die Landesherren befugt, nach den "Beischläferinnen" der Pfarrer zu fahnden und sie aus den Pfarrhäusern zu vertreiben. Die Visitation 1584 war u.a. eine solche Fahndung. Oftmals zogen die Frauen mit den Kindern für die Zeit der Visitation zu Verwandten.

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Quelle:

Josef Brückl, Zur Durchführung des Zölibats, Amperland 1975/2

Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

15.10.2016