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Das Ende des 2.Weltkrieges
in der Pfarrei Haimhausen

Bericht von Pfarrer Korbinian Fischer an das Ordinariat in Freising
vom 31 . Juli 1945

"Bis hieher hat Gott geholfen" war der Inhalt der Predigt am Sonntag, den 6. Mai 1945. Die Pfarrgemeinde Haimhausen hat allen Grund, so zu sprechen; denn die Schäden des Krieges im Pfarrdorfe und in den Filialen sind nur gering. Im Einzelnen darf erwähnt werden:

1. Durch Fliegerangriffe wurden trotz der Nähe des Flugplatzes Schleißheim lediglich einige Fensterscheiben in der Filialkirche Ottershausen zerbrochen. Bomben fielen wiederholt auf die Fluren der Pfarrei, nie aber in eine Ortschaft.

2. Am Sonntag, den 29. April, dem Tage des Einmarsches der Amerikaner konnte kein Gottesdienst gehalten werden. Vom frühen Morgen an war jeden Augenblick mit dem Beginn des Kampfes zu rechnen. Gegen 10 Uhr fielen dann die ersten Granaten der Amerikaner in das Pfarrdorf. Größere Gebäudeschäden entstanden nicht. In Inhausen traf eine Granate bereits am Tage vorher den Stall des Mesners, wodurch einige Tiere getötet wurden. Eine Granate explodierte im neuen Friedhofe in Haimhausen. Mehrere Grabsteine wurden mehr oder weniger beschädigt. Eine weitere Granate fiel in den Pfarrgarten. Eine Anzahl Obstbäume wurde beschädigt, im Pfarrhause wurden lediglich etwa 15 Fensterscheiben zerschlagen, die Kirche blieb unmittelbar neben dem Pfarrhofe unversehrt. Bereits während der Beschießung zog sich die deutsche Verteidigung in den Wald zwischen Haimhausen, Inhausen und Ottershausen nach Süden zurück. 15 Minuten nach der Beschießung kam der erste Spähtrupp der Amerikaner in die Ortschaft. Es darf wohl als besonders günstig gebucht werden, daß dieser Spähtrupp am Eingange in die Ortschaft durch den Pfarrgarten zuerst in das Pfarrhaus kam und den Pfarrer und die Personen, die im Keller Zuflucht gesucht hatten, aus dem Keller holte. Der Pfarrer konnte dann sogleich dem Spähtrupp - 4 Mann - Schulhaus und Kirche öffnen. Als dann sofort : auf dem Kirchturme die Fahne gehißt wurde, kamen zahlreiche Panzer und motorisierte Infanterie in das Dorf nach. Den ganzen Tag währte dann der Kampf zwischen den oben genannten 3 Ortschaften. In Inhausen gingen an der Kirche mehrere Fensterscheiben in Scherben und die Sakristeitüre wurde mit Gewalt erbrochen. Abends 7 Uhr konnte [ich] dann in der Pfarrkirche unter dem Donner der Kanonen, die kaum 100 m daneben feuerten, und unter dem Einschlag der Granaten von kleineren deutschen Geschützen, ebenfalls nur 100-200 m entfernt, in Anwesenheit von 12 Personen die Pfarrmesse zelebrieren. Die Schießerei dauerte fast bis Mitternacht an, es folgte dann Pause bis zum Morgen, sodann setzte ein kurzes Trommelfeuer nach dem Süden gerichtet ein, die deutschen Geschütze aber waren verstummt. Am Montag, den 30. April, waren gegen Mittag die Kampfhandlungen im Bereiche der Pfarrei beendet. Vom 1. Mai an erhielt die Gottesdienstordnung keinerlei Unterbrechung mehr. 1 Wachmann bei einem Kommando von gefangenen Russen hier erhielt einen Bauchschuß und starb am gleichen Tage. Er wurde am 30. April auf dem hiesigen Friedhofe vom Pfarrer beerdigt und in das Totenbuch eingetragen. Auf einem Acker in der Nähe wurde ein toter Mann in Zivilkleidern gefunden. Personalien konnten in keiner Weise festgestellt werden. Der Totengräber begrub ihn in Anwesenheit des Pfarrers auf dem hiesigen Gemeindefriedhofe. Auf dem Friedhofe in Ottershausen begrub der Mesner eine männliche Leiche, ebenfalls unbekannt und in Zivilkleidung. Ich vermute, daß diese beiden entflohene KZ-Häftlinge oder SS-Männer waren, die sich verkleidet hatten.

Auf dem Friedhofe in Inhausen wurde ein gefallener deutscher Soldat beerdigt, seine Konfession konnte nicht festgestellt werden. Ein Zwischenfall, der mich persönlich betrifft, sei noch angefügt. Am Freitag, den 27. April nachmittags, wurde ein etwa 3000 Menschen zählender Zug von KZ-Häftlingen durch die Pfarrei nach Dachau getrieben. Ich folgte dem Zuge um eventuell Sterbenden noch irgendwie zu helfen. Bis zum Walde zwischen Ottershausen und Ampermoching ging der Zug ohne besonderen Zwischenfall seinen Weg. Aber kaum im Walde angelangt, knallten 3 Schüsse. Als ich zum ersten der Toten kam und ihm die letzte Ölung spenden wollte, drohte mir ein SS-Führer mit dem sofortigen Erschießen, wenn ich nicht augenblicklich den Platz verlassen würde. Mitten im Walde und umgeben von einer Anzahl SS-Männer musste ich Folge leisten. Am 30. April etwa 4 Stunden nach dem Einmarsch der Amerikaner kam ein hier beschäftigter Zivilrusse mit 6 bewaffneten Amerikanern in den Pfarrhof und beschuldigte mich, 3 Russen im Walde erschossen zu haben. Ich konnte aber doch den wahren Sachverhalt den Amerikanern auseinandersetzen, so daß diese den Russen stehen ließen und mich in keiner Weise belästigten.

3. Geplündert wurden vor allem die hiesigen Lager. Voran gingen die Ausländer, aber die hiesige Bevölkerung folgte in erschreckender Weise nach. Ein Ausrüstungslager des Fliegerhorstes Schleißheim im hiesigen Schulhause, ein Radiolager im Schloße und ein Lager von Kondensmilch sowie die Bierbrauerei wurden restlos ausgeplündert, während in den Geschäften nur ein kleinerer Teil fortgenommen wurde. Kirchen, Pfarrhof und Wohnung der Klosterhauen wurden in keiner Weise belästigt. Der Pfarrhof wurde auch nicht belegt, so daß nach 3 Familien, die ihre Wohnungen räumen mussten, hier aufgenommen werden konnten. Bis hieher hat Gott geholfen".


Pfarrarchiv Haimhausen

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