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Mennonitisches Bethaus in EICHSTOCK


Adresse: 85229 Markt Indersdorf, Eichstock 3
Lage der Kirche auf der Landkarte ...


Beschreibung

Das von alten Linden umstandene Bethaus in Eichstock ist auf einer Anhöhe errichtet, von der man einen wunderschönen Blick auf die Umgebung, insbesondere auf das Dorf Ain-hofen hat. Es handelt sich um einen recht-eckigen Bau mit Satteldach ohne Turm.

Leider wurden die Linden von einem Pilz be-fallen und mussten oben abgeschnitten wer-den. Hoffentlich treiben sie wieder aus. 13)

Das Bethaus wurde 1841 von den kurz vorher angesiedelten Mennoniten innerhalb von fünfeinhalb Monaten errichtet. 15)

Der Innenraum wird von 10 rundbogigen Fenstern erhellt. Als Altar dient ein einfacher, nur mit einem kostbaren Tuch bedeckter Tisch.
Der Eingang liegt auf der Rückseite. Über dem Vorraum ist eine Empore errichtet, von der man durch drei Mauerdurchbrüche einen gu-ten Blick in den Betraum hat.

Der Ort Eichstock liegt auf einer Anhöhe, rd. 1,5 km westlich von Ainhofen.
Eine interessante Beschreibung der Gegend lieferte die Zeitung Münchner Neueste Nachrichten vom 12.6.1931:
  "Zwischen den Flüssen Glonn und Paar... liegt eine Landschaft, die durch sanfte, teilweise bewaldete Hügel gekennzeichnet ist. Dennoch ist es hier nicht einsam. Man befindet sich auf historischem Boden. Hier lebt eine eigenartige Bevölkerung. Franken, Altbayern, Schwaben, Wenden, Italiener, sind hier zu einem Volksschlag zusam-mengeschweißt worden, der sich durch Witz und Hartköpfigkeit auszeichnet. Dieses Gebiet ist auch in landwirtschaftlicher Hinsicht bedeutsam." 07)

Als Flurname kommt Eichstock schon im Jahr 1305 vor (Aychstoechinne). Dort im "Eichwald", so die Bedeutung des Wortes, besaßen die Herren aus Harreszell den Hof. 1345 überließ Otto von Harreszell das Gut „im Aychstok“ dem Kloster Indersdorf als Pfand. Eichstock bestand über viele Jahrhunderte lang aus dem einen Bauernhof.

Im 30jährigen Krieg wurde der Hof zerstört. Einer Chronik ist zu entnehmen, dass das Anwesen "von 1642-1653 öd lag". Dann pachtete es ein Georg Landmann. 08)

Die Grundherrschaft lag bis zur Klosteraufhebung 1783, beim Kloster Indersdorf. Verwaltungsmäßig unterstand Eichstock dem Landgericht Kranzberg.

Im Jahr 1798 kaufte der Mennonit Gerhard Ruth aus Herxheim i.d.Rheinpfalz den Hof, 1826 erwarb ihn der Protestant Daniel Springer.

Mennoniten
Die Mennoniten in Eichstock gehörten zu den Glaubensflüchtlingen aus der Schweiz, wo sie von den Anhängern des Reformators Zwingli vertrieben worden waren. Sie fanden in Rheinland-Pfalz und im Elsass eine Bleibe. Aber auch in Bayern waren die Mennoniten zunächst verfolgt worden. In den Jahren von 1527 bis 1581 wurden 223 Täufer verbrannt oder geköpft.


Religionsfreiheit in Bayern
Es dauerte noch mehr als 200 Jahre, bis unter Kurfürst Max IV. Joseph die Religionsfreiheit eingeführt wurde. Im November 1800 erhielten alle Protestanten Niederlassungsfreiheit. Wörtlich heißt es in dem Erlass:
      "Die Meinung, dass die katholische Religionsgemeinschaft die wesentliche Bedingung der Ansässigmachung in Bayern sei, ist
       irrig und nachteilig für Industrie und Kultur des Landes und ist weder in der Reichs- noch Landesverfassung begründet". 07)
Am 10.Januar 1803 wurde das bayerische Religionsedikt erlassen, das allen christlichen Untertanen die gleichen bürgerlichen Rechte zusprach. Daran erinnert ein Relief auf dem Sockel des Standbilds für Max Joseph vor dem Münchner Nationaltheater, das zum Andenken an sein 25-jähriges Thronjubiläum errichtet worden war. 09)

Max IV. war in Zweibrücken in der Pfalz aufgewachsen und hatte dort die moderne Arbeitsweise der Mennoniten kennen gelernt. Ackerbau, Viehzucht und die Brandweinerzeugung standen bei den Mennoniten hoch im Kurs. Sie hatten die Düngung der Felder eingeführt und galten als die Erfinder des Odelfasses. 07)

Die Wittelsbacher der Nebenlinie Zweibrücken waren protestantisch. Wegen der Aussicht, das Erbe in Bayern antreten zu können, war die Familie zum katholischen Glauben konvertiert, hatte aber noch viel Sympathie für den Protestantismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen.


Zuwanderung nach Bayern
Schon ein Jahr vorher, 1802, hatte der Kurfürst Mennoniten-Familien ins Donaumoos berufen, zur Kultivierung des Moores und zur Verbesserung der landwirtschaftliche Produktivität in Bayern. Dies führte zur Gründung des Dorfes Maxweiler im Donaumoos / Landkreis Neuburg. 07)

Mennoniten in Eichstock

1818 wanderten die ersten mennonitischen Familien in den Raum des heutigen Dachauer Landkreises ein. Sie siedelten in Stachusried, Eichstock, Wagenried, Lanzenried, Riedhof, Thann, Harreszell, Göppertshausen, Tafern, Fränking, Maisbrunn und Kleinschwabhausen. Man nannte sie die "Überrheiner", weil sie aus Gebieten jenseits des Rheins gekommen waren; dort waren die Mennoniten noch nicht gleichgestellt, sondern nur geduldet.

Die zweite geschlossene Siedlung der Mennoniten in Bayern (nach Maxweiler) mit einem gemeindeeigenen Gotteshaus und Friedhof war Eichstock, wobei König Ludwig I. wie sein Vater handelte und dem religiösen Eigenleben der Mennoniten keinen Widerstand entgegensetzte.

Die ersten Siedler waren die Brüder Jakob und Johann Dettweiler aus dem Elsass, die um 6200 Gulden den verwaisten Meierhof von Stachusried, den sog. Hammerbauernhof kauften. Er war bis zur Enteignung während der Säkularisation 1803 im Besitz des Klosters Scheyern gewesen. Ein Jahr später kamen die Familie Ruth nach Eichstock und die Familie Vogt nach Thann. 1820 folgten zehn weitere Familien.

Die Mennoniten waren für Neuerungen aufgeschlossen. Sie betrieben Dreifelderwirtschaft und erzielten mit dem Anbau von Klee und intensiver Viehhaltung große Erfolge in der Landwirtschaft. 1847 importierten sie eine amerikanische Dreschmaschine, die gemeinschaftlich von zehn Familien genutzt wurde

Gemeindeleben im 19.Jh.
Zu ihren gottesdienstlichen Versammlungen trafen sich die Neusiedler anfänglich in den Wohnstuben des erwähnten Hammerhofs in Stachusried sowie in Eichstock. In Wagenried hatten sie einen eigenen Friedhof.

Zunächst wollten die Mennoniten ihr Bethaus in Stachusried bauen. Weil die Landbevölkerung aber die Mennoniten nicht "auf dem Vorzeigeteller präsen-tieren" wollte, wurde von den bayerischen Ministern die Bauerlaubnis nur für das etwas abseits liegende Eichstock erteilt. 15)

Durch die weitere Zuwanderung wurde die Gemeinde immer größer.
- 1836/37 beschäftigte sich die Gemeinde intensiv mit dem Bau eines
   eigenen Gotteshauses.
- am 10.4.1838 stifteten die Brüder Johann und David Ruth den Grund für
   eine Kirche mit Friedhof.
- am 31.1.1841 erteilte die königl.Regierung eine Baugenehmigung. 07)

- So wurde 1841 in Eichstock ein Bethaus errichtet.
   Die Bauzeit betrug fünfeinhalb Monate.
- Am 14. Nov. 1841 wurde das Gotteshaus eingeweiht.


Steintafel am Bethaus

  Eine Tafel über dem Eingang (Bild rechts) erinnert an dieses Ereignis:
  Text: "Thut mir auf die Thüre dieses Hauses, daß ich dahinein gehe und dem Herrn danke. - Zum Lobe und Verehrung des
           großen Gottes wurde dieses Bethaus erbaut mit der gnädigsten Bewilligung des ietzt regierenden Königs Ludwig im
           Jahre Christi 1841. 1.Petri, 2,5. "
Von 1838-1845 waren die Gebrüder Ruth die ersten Prediger.


Gottesdienst

Natürlich gab es zwischen den Neuankömmlingen und den alteingesessenen Bauern Probleme. Dazu gehörten die anderen Sitten, die hier nicht gebräuchliche Tracht und die unterschiedlichen religiösen Gebräuche, die ein Miteinander beim Feiern erschwerten.
Die Mennoniten und anderen Protestanten störten sich an den sog. Kirchentrachten (Zehent, Reichnisse), die auf den Anwesen ruhten. Sie sahen nicht ein, dass sie als Protestanten dem katholischen Pfarrer Abgaben leisten sollten. Sie hatten schließlich die Kosten ihrer eigenen Religionsausübung selbst zu tragen. Aber die Abgaben hielten sich zäh; trotz vieler Initiativen wurden sie erst 1912 abgeschafft. 02)

Auswanderung
Als in Bayern 1848 die Märzrevolution stattfand und durch Gesetzesänderungen Privilegien entzogen wurden, fühlten sich die Mennoniten nicht mehr sicher. Zudem wurden die heranwachsenden Söhne zum Militärdienst verpflichtet. Sie durften zwar einen Ersatzmann stellen, doch ein solcher kostete rd. 1000 Gulden. Viele sehnten sich deshalb nach einer neuen Heimat mit Gewissensfreiheit und Heirat ohne Vermögensnachweis. Nordamerika war dafür ein gutes Ziel. Die ersten wanderten 1851 aus. 07)


1856 folgten die nächsten 22 Familien und gründeten die noch heute existierende Gemeinde Halstead in Kansas. Später verließen noch mehr Familien aus wirtschaftlichen Gründen unsere Gegend; sie kehrten teilweise ins Rheinland zurück oder wanderten nach Ungarn oder nach Amerika aus, so dass die Kirche in Eichstock in den 1920er Jahren fast ganz verlassen auf der Anhöhe stand. 03)

1868 wohnten in Eichstock 14 Bewohner, von denen 8 Mennoniten, 4 Protestanten und 2 Katholiken waren. Ähnlich waren übrigens die Einwohnerzahlen der nahegelegenen Ortschaft Harreszell (14 Bew, 6 Menn, 3 Prot, 5 Kath). In Wengenhausen waren alle 11 Bewohner Protestanten. 01)


Heutige Gemeinde
Erst nach dem 2.Weltkrieg wuchs -nicht zuletzt durch Zuzug- wieder eine lebendige Gemeinde heran. Derzeit sind es nur noch ca. 30 Gemeindemitglieder. Die sonntäglichen Gottesdienste haben rd. 20 Besucher (um 1990: bis zu 170). Taufen finden im Freibad Ainhofen statt. 10)

Wegen der geringen Mitgliederzahl schloss sich die mennonitische Kirche im März 2022 mit der Freien Evangeischen Kirche Indersdorf zusammen. 15)


Freizeitheim
Seit 1967 betreut die Kirche ein eigenes Tagungs- und Freizeitheim mit 46 Betten (Agape Gemeindewerk), die u.a. auch von der Pfadfindergruppe "Royal Rangers" der Freien Evangelischen Gemeinde Indersdorf genutzt wird. 10)
Das Heim wurde 2022 als renovierungsbedürftig eingestuft. 15)


Friedhof

Um das Bethaus liegt seit 1838 der Friedhof mit den Gräbern der mennoni-tischen Gemeinde. Er war eine Schenkung der Familie Ruth. Die Grabinschriften spiegeln die Geschichte der Ansiedlung der Mennoniten in Eichstock und die hohe Wertschätzung der Bibel wider (Vergrößerung der Bilder durch Mouseklick).
Der erste Friedhof der Mennoniten im Dachauer Siedlungsgebiet, befand sich in Wagenried.


Grabinschriften

Grabinschriften

An der Westwand des Bethauses ist eine sehr schön gestaltete Gedenkplatte aus dem Jahr 1846 eingelassen. Der Text im blumigen Duktus der damaligen Zeit lautet:

Epitaph
an der Westwand
"Hier ruhn die sterblichen Ueberreste er tugendsamen, ehrengeachteten Menonitin Frau Barbara MULLER. Ehegattin des Oekonomiepächters Jakob Müller in Regendorf.
Die Selige entschlummerte in eine bessre Welt den 29ten August 1846, im 49.Lebens-Jahre.

 DIESES DENKMAL DER LIEBE   
 setzten der tiefftrauernde Gatte und die dankbaren Kinder.
 FRIEDE IHRER ASCHE
"Schlumre bis zum frohen Auferstehen
hier in deiner stillen kühlen Gruft.
Fröhlich werden wir uns wiedersehen
Wen die Stime des Almächt'gen ruft."

Selig sind die Todten, die im Herrn sterben, den ihre Werke folgen ihnen nach . Offenb.14.13

Bethaus und Freizeitheim wurden 2016 als reparaturbedürftig eingestuft 10).
Im Sept. 2022 begann die Renovierung des Bethauses. Der Außenputz, ein neuer Kirchenboden und die Heizung kosteten rd. 170.000 Euro. Zuschüsse des Bezirks Oberbayern, des Landesdenkmalamts, der Landesstiftung und der Gemeinde Indersdorf halfen der Kirchengemeinde, die keine Kirchensteuer erhebt.

Denkmal
Der Betsaal gehört zu den Baudenkmälern der Gemeinde Markt Indersdorf 16) . In der Denkmalliste ist sie unter der AktenNummer D-1-74-131-18; "Betsaal; Eichstock 3; der seit 1818 hier angesiedelten Mennoniten, Rechteckbau von 1841; mit Ausstattung" enthalten.





Die Mennoniten   
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Die Mennoniten sind Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, die im 16. Jh. entstand und als Täufergemeinde bekannt wurde. Ihr heutiger Name erinnert an den friesischen Priester Menno Simons (1492-1559), der ihr bedeutendster Führer war.
Die Mennoniten nennen sich selbst "Evangelische Taufgesinnte". Sie kennen keine Kindertaufe ab; die Erwachsenen werden im Freibad von Ainhofen getauft.
Die Religionsgemeinschaft lehnt auch den Kriegsdienst, den Eid, die Eheschei-dung und den staatlichen Zwang in Glaubensdingen ab.

Die Mennoniten wurden sowohl von katholischen als auch von evangelischen Landesherren verfolgt. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 galt für sie nicht. Die Hochburgen der Gemeinschaft liegen heute in den USA und in Kanada.
Die Mennoniten sind für ihre hervorragenden karitativen Leistungen bekannt.


Abendmahlfeier

 



Quellen:

01)
Heyberger/Schmitt/Wachter, Topografisch-statistisches-Handbuch des Konigreichs Bayern, 1868
02) Rudolf Goerge, Läutlaib, Flachs und Nudeln, Amperland 1988 (Reichnisse)
03) Heimatbuch des Landkreises und der Stadt Dachau, 1971
04) Infoschrift Eichstock
05) Jakob Fischhaber u.Josef Kröner, Langenpettenbach früher und heute, 1987
06) Dachauer SZ, 2001
07) Pastor Helmut Funck, Zur Geschichte der "Überrheiner" in Altbayern, Amperland 2005/2
08) Otto Hefele, Gerhard Becker: ''Chronik Ainhofen'' (Wikipedia)
09) Susanne Pfisterer-Haas, Festvortrag zum 175. Jubiläum der Kirche von Lanzenried am 17. Mai 2015 (Sockel)
10) Josef Ostermair, Volles Haus am Jubeltag, Dachauer Nachrichten vom 27.9.2016 (Rangers)
11) Wie in einem fremden Land, Dachauer Nachrichten vom 5./6./7. Jan. 2018
12) Internetseite der Mennoniten in Eichstock, Zugriff 2018/1

13) Reinhard Haiplik, Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau, Band 3,
S.28, 2019, ISDN 978-3-936990-76-8
14) Internetseite Kreisheimatpflege Dachau, Zugriff 2018/1
15)
Josef Ostermair, Damit die Kirche im Dorf bleibt, Dachauer Nachrichten vom 4.10.2022
16) Liste der Baudenkmäler in Markt Indersdorf, Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler-Stand 2024

7 Bilder: Mennonitische Gemeinde (2), Hans Schertl (5)

Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

22.10.2022