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Sage vom Rundfenster in Walkertshofen
nach Aufzeichnungen von Hauptlehrer Pölzl aus der Schulchronik von Walkertshofen

Vor etlichen hundert Jahren lebten in Walkertshofen zwei Kartenspieler, wie man sie in weitem Umkreis nicht gefunden hat. Und das will was heißen, in einer Gegend,wo Kartenspielen zu jeder Tages- und Nachtzeit an der Tagesordnung war. Der Martl und der Sepp, die kannten sich in des "Teufels Gebetbuch" (Spielkarten) besser aus als im "Canisi" (Katechismus) oder inn ihrem Gebetbüchl, das die längste Zeit daheim im Kasten Ruhe hatte. Wer mit den Zweien spielte, der war gelaust, bevor er es merkte. Es gab kein Kartenblatt, von dem sie nach dem Mischen und Abheben nicht wussten, wo der Belle lag. Jeden Sonntag hockten sie beim Wirt in Walkertshofen.
Eines Samstagabends fanden sie gar kein Ende und als alle anderen schon nach Hause gegangen waren, spielten sie zu zweit weiter bis um 2 Uhr nachts, bis sie der Wirt zur Türe hinausschob.
Am nächsten Morgen riefen die Glocken zum Sonntagsgottesdienst. Martel und Sepp, obwohl nicht sehr gläubig, mussten aufstehen und in die Kirche schlurfen; denn Kirchgehen war Brauch und man hätte sich vor den anderen Leuten schämen müssen, wenn man nicht beim Gottesdienst gesehen worden wäre. Sie fanden auf der Empore ein schönes verstecktes Platzerl und dösten vor sich hin. Da weckte den Martl ein Rippenstoß des Sepp. Der hatte in der Hand statt des Gebetbuchs ein Spiel Karten aus der Tasche gezogen und murmelte dem Martl zu: " Tean ma a Maß aus, Martl ?" Der blinzelte in der Nachbarschaft herum.

Da knieten die alten Bauern vor ihrem Gebetbücherl und ihr rissiger Zeigefinger fuhr von Buchstaben zu Buchstaben, Wort für Wort. Nein, die hatten keine Zeit, sich um andere Leute zu kümmern, die waren genügsam mit dem Lesen und dem Buchstabieren beschäftigt. Also fingen die zwei zu karteln an und wurden immer hitziger. Das gefiel dem Bösen, der vor der Kirchentür von einem Bocksfuß auf den andern trat. Er rieb sich die Hände, dass die Bäume erschaudernd seufzten und rauschten. Da drinnen reiften ihm zwei nette Höllenbewohner zu; solch einen Fang hatte er schon lange nicht m,ehr getan.
Als die Wandlungsglocken läuteten, bekam der Martl Bedenken, es drang ihm ein Schauer durch die Seele. Er lispelte dem Sepp zu: "Jetz bet ma, d'Wandlung leits". Der Sepp antwortete ungeniert: "Bet no, i misch dawei de Kartn". Den Martl aber hatte die Gnade angerührt. er verbarg das Gesicht in seinen Händen und murmelte in einem fort: "O Herr, sei mir armen Sünder gnädig". Und er schwor sich, niemehr in der Kirche Karten zu spielen.

Das Glöcklein der Wandlung war verklungen. Jetzt schaute der Martl wieder auf - und es standen ihm die Haare zu Berge. Der Platz neben ihm war leer; nur die verstreuten Spielkarten sagten dem Martl, dass das kein Fieberztraum gewesen war. Durch die Kirchenmauer der Empore ging ein Loch ins Freie, so groß,, dass leicht ein Mensch durchschlüpfen konnte. Da war es ihm klar, dass den Sepp der Teufel bei lebendigem Leibe aus der Kirche geholt hatte. Und so war es auch. Martl umfing eine tiefe Ohnmacht. Als er wieder erwachte, erzählten ihm die Leute mit entsetzten Gesichtern, dass man den Sepp an der Kirchhofmauer mit in den Nacken gedrehtem Gesicht gefunden habe. Man habe den Unglücklichen auch gleich dort verscharrt.Martl fiel in eine schwere, lange Krankheit und änderte dadurch sein Leben und seine Einstellung; er rührte kein Kartenspiel mehr an.

Als man das Loch an der Empore zugemauern wollte, zeigte sich, dass kein Mörtel halten wollte. Die Steine fielen, so oft man sie auch wieder hineingesetzt hat, immer wieder heraus. Auch der beste Mörtel, ,mit Wein angerührt, half nichts. Auch als die Steine und der Mörtel gesegnet wurden, blieb das Unternehmen fruchtlos. Da versuchte man das Loch mit einem runden Fenster zu schließen - und siehe da, es gelang. Seit dieser Zeit befindet sich auf der Empore zu Walkertshofen das kreisrunde Fenster.


aus dem Buch: Altbairische Sagen I - Geschichten und Legenden aus dem Dachauer Land von Alois Angerpointner