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Werke Ignaz Günthers in der Pfarrkirche Vierkirchen

Von Elke Lamprecht
- Auszüge -

 

Kruzifix und Mater Dolorosa in Vierkirchen

Die beiden Figuren sind in einer Mauernische der St. Jakobuskirche gruppiert, doch bei intensiverer Betrachtung kann man feststellen, dass die Skulpturen ursprünglich nicht gemeinsam konzipiert wurden. In der Literatur ist des Öfteren von der Schmerzensmutter in Vierkirchen die Rede. Es existiert auch ein Bozzetto (Modell) im Bayerischen Nationalmuseum. Nicht zuletzt dadurch ist wohl eine eindeutige Urheberschaft durch Ignaz Günther bewiesen.
Der Künstler hat sich des Themas mehrmals angenommen: bereits einige Jahre vorher entstand eine Dolorosa, die heute in der St. Jakobskapelle in Weyarn steht. Die Figuren sind - zwar spiegelverkehrt - doch verwandt. Die Weyarner Maria ist in einen Mantel gehüllt, der in reichem und raffinierten Faltenspiel den Körper umhüllt, während die Vierkirchner Figur strenger angelegt ist. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Betrachters mehr auf die sich im Schmerz verkrampfenden, feingliedrigen Hände gelegt. Das Gesicht ist typisch für die Frauengestalten Günthers, das gleichzeitig eine vornehme Blasiertheit, sowie einen übermenschlichen, entrückten Schmerz ausdrückt.
Auch existiert ein weiterer Gekreuzigter, - Ignaz Günther hatte ihn seiner Heimatpfarrei in Altmannstein zum Geschenk gemacht- der dem Vierkirchner auf den ersten Blick sehr ähnelt. Bei der Restaurierung konnte ein Vergleich bezüglich Haltung, Ausdruck, Modellierung, und auch bezüglich der Originalfassungen vorgenommen werden. Die grosse Ähnlichkeit deutet darauf hin, dass die Vierkirchner Figur durch Günthers Hand - vielleicht aber auch nur durch seine Werkstätte - entstanden ist, denn das Altmannsteiner Kruzifix ist qualitätvoller und künstlerischer bearbeitet. Schoenberger ist bezüglich der Vierkirchner Skulpturen der Meinung: "Monumentale Form und Intensität der Gefühlswerte sind hier zu einer Ausdrucksstärke der Erscheinung verbunden, wie sie unter den Werken Günthers nur solche hohen Ranges haben."

 

Die Herkunft der Vierkirchner Figuren

Um die Herkunft ranken sich die verschiedensten - teils wider-sprechenden - Gerüchte. Leider wurden bis heute keine Dokumente gesichtet, die einwandfrei den Weg der Figuren nach Vierkirchen dokumentieren. Denn es ist erstaunlich: 2 Skulpturen eines Künstlers von europäischem Rang, die formal nicht zusammengehören, die der Bildhauer nicht zusammengehörig schuf, stehen in einer - zwar sehr schönen - aber dennoch eher unbedeutenden Dorfkirche.
In der Vierkirchner Chronik von 1879 ist ein Ankauf im Jahre 1874 dokumentiert: "Christus am Kreuze und die schmerzhafte Gottesmutter lieferte der Bildhauer Johann Vordermeier aus München." Nun ist es durchaus wahrscheinlich, dass es sich um fragliche Gruppe handelt, da für spätere Jahre keine ähnlichen Transaktionen nachzulesen sind. Bezahlt wurden die Figuren von Mitgliedern der Pfarrei, wie aus einem Spendenverzeichnis zu ersehen ist .
Wie kam aber Vordermeier zu den Güntherfiguren?
Wenn Kirchenräume überarbeitet wurden, wurden die Kunstwerke, die man nicht mehr zu gebrauchen glaubte, meist an die beteiligten Handwerker/ Künstler verkauft (vielleicht ist in diesem Zusammen-hang "verscherbelt" das bessere Wort), die diese Werke an andere Kirchen, an denen sie auch oder später arbeiteten, wieder verkauften. Der Ausdruck "lieferte" in der Chronik schließt nicht aus, dass Vordermaier die Plastiken nicht selbst fertigte.

Nun hätte es sein können, dass Günther, der für die Münchner Frauenkirche zwischen 1770 und 1773 viele Werke schuf, auch eine Schmerzensmutter und einen Gekreuzigten fertigte. Eine historische Fotografie von 1858 zeigt auf dem Altar ein Kreuz, das dem in Vierkirchen durchaus ähnlich ist. Im Zuge einer rigorosen Purifizierung in den Jahren 1858 bis 1864 wurden alle Werke des sogenannten "Zopfstils" entfernt und an beteiligte Handwerker verkauft.
Folgende Punkte muss man mit der -an sich schlüssigen- Erklärung abwägen:
1. Die Mater Dolorosa ist auf frühere Jahre datiert, als Günther noch keine Arbeiten für die Frauenkirche schuf, nämlich 1765 bis 1770.
2. Ein Vergleich der historischen Aufnahme lässt mangels Qualität der Aufnahme keinen gültigen Schluss zu.
3. Johann Vordermeier war laut vorhandener Rechnungen nicht am Umbau der Frauenkirche beteiligt.
4. Vordermaier war mit der Münchner Künstler- und Tändlerfamilie Gedon verschwägert - vielleicht kamen die Skulpturen über den Gedon'schen Kunsthandel in die Hände Vordermaiers.
30 Jahre nachdem Vordermaier fragliche Figuren an die Pfarrkirche Vierkirchen lieferte, wird die Mater Dolorosa in der Pfarrchronik Vierkirchens erwähnt. Der damalige Pfarrer ließ wohl einige Arbeiten in der Kirche machen und bemerkte: "Auch die alte an einen Bauern (Tonibauer in Esterhofen) verschenkte schmerzhafte Madonna wurde wieder gewonnen."
Doch wie kam die Madonna zum Tonibauern?: In der Chronik des Pfarrers Steinberger berichtete dieser, dass im Jahr 1869 die Jungfrau Magdalena Eisenhofen ihn um Hilfe bat, zum Eintritt in ein Kloster. Sie würde 1000 fl. zur beliebigen Verwendung für die Pfarrkirche spenden. Das hat sie 1870 auch getan. Die junge Frau war die Tochter des Tonibauern, vielleicht hat der Pfarrer dem Bauern die Figur, die sowieso nicht dem Zeitgeschmack entsprach, als Gegenleistung überlassen. Gerüchte und Mutmaßungen - es wurden noch keine Dokumente gefunden, die den Weg der Plastiken zweifelsfrei nachweisen.

Die Restaurierung

In den Jahren 2001 bis 2003 wurden sowohl die Mater Dolorosa, als auch das Kruzifix vom Münche-ner Atelier Thomas Schoeller untersucht und restauriert. Finanziert wurde dies vom Vierkirchener Aktionskreis.
Ziel der Restaurierung war, den Originalzustand der Plastiken, so wie sie Ignaz Günther geschaffen hatte, wiederherzustellen. Dafür mussten Holz und die daraufliegenden Fassungen genauestens unter die Lupe genommen werden.

Beim Kruzifix wurden über der Originalfassung noch 5 Überfassungen festgestellt. Von der ursprünglichen Fassung war noch 30 - 40% intakt. Da eine chemische Freilegung nicht möglich war, hätte das Kruzifix mechanisch, mit dem Skalpell freigelegt werden müssen. Da es weder historischer, noch künstlerischer Dokumentation dient, wurde aus Kostengründen auf eine Freilegung der ursprünglichen Fassung verzichtet. Stattdessen wurde die Figur abermals überlasiert, in der Farbigkeit - durch die Befunduntersuchung lagen die Informationen darüber vor - in der sie Günther damals gestaltete.

Bei der Untersuchung der Marienfigur stellte man mehrere Risse, in dem von hinten ausgehöhlten Körper fest. Im Inkarnat wurden vier verschiedene Fassungen festgestellt, das Kleid und die Mantel-innenseite wiesen je zwei Fassungen auf, die jedoch beide von minderer Qualität sowie ausgeblichen waren. Bei der Restaurierung wurden die Risse und Fugen geschlossen und die geschwächten Partien stabilisiert. Die ursprüngliche Inkarnatfassung, d.h. Gesicht und Hände, wurde freigelegt und an den Stellen, an denen die Erstfassung nicht mehr vorhanden war rekonstruiert. Bei der Freilegung wurde festgestellt, dass Ignaz Günther sogar Tränen geschnitzt hatte, und diese nicht etwa durch pastosen Farbauftrag gestaltet hatte! Die Vergoldungen an Mantel, Kleid und Schuhen wurden wiederhergestellt. Mantel und Kleid wurde von den verblichenen Lacken gereinigt, fehlerhafte Stellen repariert. Abschließend wurde neuer Lüster in den Farben Preußischblau und Krapprot aufgebracht.

Fazit

Auch wenn die Herkunft der Schmerzensmutter und des Gekreuzigten nicht geklärt werden kann, auch wenn sie eigentlich gar nicht zusammengehören, auch wenn die Farbigkeit nach der Restaurierung für manche noch gewöhnungsbedürftig ist, sollte man sich einfach freuen, dass in der Vierkirchner Kirche zwei herausragende Kunstwerke sind und die Gelegenheit nutzen, sie zu betrachten und die Werke eines genialen Künstlers zu bewundern.

 


mit freundlicher Genehmigung
von Herrn Helmut Größ, Redaktion "Haus, Hof und Heimat"