Dreifaltigkeitskapelle
in NIEDERDORF

Beschreibung
Der Weiler Niederdorf
und der Nachbarort Oberdorf hatten früher einen gemeinsamen Ortsnamen.
In einer Tauschurkunde
des Tanderner Ortsherrn Arnold vom Jahr 1220 wurde die Ortschaft erstmals
als "Ruterit" erwähnt. Die Altomünsterer nannten es
um 1260 "Rueteried", die Indersdorfer schrieben 1330 in das
Grundbuch "Rutingenried" und die Augsburger notierten 1391 in
ihrem Besitzverzeichnis, sie hätten zwei Besitztümer in "Rüttinried".
Niederdorf allein wurde
1495 in einem Dokument des Klosters Indersdorf genannt (Nyderdorff).
Die erste Kapelle in
Niederdorf wurde von einem Herrn Erhart um das Jahr 1840 erbaut. Sie war
dem Hl. Wendelin geweiht.
1938 wurde diese Kapelle noch gründlich renoviert.
20 Jahre später, am 16.
Juli 1958, raste ein Orkan mit bis zu 200 km/h über
die Gegend, begleitet von einem halbstündigen Hagel-Wolkenbruch.
Kein Haus in Ober- und Niederdorf blieb heil. Sogar eine Tote war
zu beklagen. Auch die Kapelle wurde so stark beschädigt, dass
sie abgetragen werden musste. 04),
06)
..mehr
dazu finden Sie hier...
Nicht ganz so schlimm waren die Unwetter, die gut 110 Jahre vorher
über Tandern und Umgebung Tandern zogen. In den Jahren 1844,
1845 und 1846 richteten Hagelschläge große Schäden
an und stürzten die Menschen in große Not.
Einen Zeitungsbericht darüber aus dem Jahr 1846 können
Sie hier lesen...
Aus dem Jahr 1872 gibt es einen Bericht über walnussgroße
Hagelkörner...siehe hier..
Im Jahre 1965 wurde
an gleicher Stelle von der Familie Kreitmeir die jetzige Kapelle
mit dreiseitigem Chorabschluss und spitzhelmigem Dachreiter erbaut
und von H.H. Pfarrer Pürner der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht.
Im Turm hängen zwei Glöckchen.
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Hinter dem schönen trapezförmigen
Holzaltar ragt ein Kruzifix mit darunter stehender Mater dolorosa
(schmerzhafter Muttergottes) empor.
Zu beiden Seiten des Altars
sind an der Wand holzgeschnitzte
Figuren der Heiligen
Mutter Anna
mit dem Jesuskind (links) und
St.Leonhard (rechts)
angebracht
Die beiden Heiligen sind die
Namenspatronen des Kapellenerbauers und seiner Gattin.
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In der Kapelle befindet
sich die über 100 Jahre
alte Fahne (Standarte) der Feuerwehr.
Jedes Jahr findet im Juli
in der Kapelle zur Erinnerung an das schwere Unwetter von 1958
ein Gottesdienst statt.
Der Sturm hatte übrigens
auch die Kirche in Thalhausen schwer beschädigt. Das Steinkreuz
des Turmes stürzte auf das Kirchendach herab. Auf dem Friedhof
fielen mehrere Grabsteine um.
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Am Eingang
die Figur des hl. Wendelin,
des früheren Patrons der Kapelle, mit Hirtenstab und umgebundener
Hirtenflasche.
Hinweis:
Wendelin (555-617) ein schottischer Königssohn, war Schafhirte
bei einem Edelmann in der Nähe von Trier. Der kontrollierte
ihn und war erzürnt, dass Wendelin sich so weit entfernt hatte
und ihm das zum Verzehr bestimmte Tier nicht rechtzeitig werde bringen
können. Doch als der Erboste in seinen Hof zurückkam,
war Wendelin bereits dort. Tief erschrocken, bat der Herr Wendelin
um Vergebung, baute ihm eine Zelle in der Nähe des benachbarten
Klosters Tholey dessen Mönche Wendelin zum Nachfolger ihres
verstorbenen Abtes wählten, ohne dass Wendelin je Priester
geworden wäre.
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St.Wendelin
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Hans Schertl
Quellen:
01)
Festschrift
Frwll.Feuerwehr Niederdorf
02)
Fr.
A.Kreitmeir, 2002
03)
Wilhelm
Liebhart in Hilgertshausen-Tandern, Bilder aus vergangenen Tagen, 2003
04)
Dachauer Nachrichten
vom 17.7.2008 (Sturm)
05)
Wilhelm Liebhart
in "St.Ulrich und Afra zu Augsburg, Historischer Atlas von Bayern,
Schwaben Reihe II
06)
Orkan forderte
Todesopfer -
Aichacher Zeitung vom 16.7.2008 (Sturm)
07)
Hagelschläge
in der Gegend von Tandern 1844-1846,
Augsburger Postzeitung 13.07.1846
08)
Hagelunwetter
am 5.Mai 1872-
Tag- und Anzeigblatt für Stadt und Land 14.05.1872
5 Bilder: Hans Schertl
8.9.2022

Orkan
forderte Todesopfer
Aichacher
Zeitung vom 16.7.2008
Orkan
forderte Todesopfer Aichach/Oberdorf – Davon erzählen sich die Menschen
noch heute:
Vor 50 Jahren wütete im südöstlichen Kreisgebiet ein Orkan, der 20 Millionen
Mark Schaden hinterließ.
Im Zentrum der Katastrophe: Ober- und Niederdorf.
Mit 200 Stundenkilometer
100 000 Festmeter Holz vernichtet Es war der 16. Juli 1958, als gegen
16 Uhr die bisher schwerste Unwetterkatastrophe über große Teile des Altlandkreises
Aichach hinwegzog und eine Schneise der Verwüstung vor allem im südöstlichen
Teil des Landkreises zurückließ. Der Schaden an den Gebäuden, der Infrastruktur
und vor allem in den Wäldern belief sich nach amtlichen Schätzungen auf
rund zwanzig Millionen Mark.
Oberdorf,
Niederdorf,
Tandern und Randelsried mit ihren Weilern und Einöden lagen im Zentrum
dieses Orkans, der mit bis zu 200 Stundenkilometern über das Land fegte
und von einem halbstündigen Hagel- Wolkenbruch begleitet wurde. Rasend
schnell näherte sich von Südwesten die unheimlich schwarzgelbe Wolkenwand,
es wurde plötzlich so finster, dass später von einer Weltuntergangsstimmung
gesprochen wurde. Im Zentrum des Orkans, in den Ortschaften Oberdorf und
Niederdorf, blieb kein Anwesen ohne schwere Zerstörungen. Viele Gebäude
stürzten in sich zusammen wie Kartenhäuschen. Dächer wurden abgedeckt,
Dachstühle weggefegt und Bäume wie Streichhölzer umgeknickt. Menschen,
die vom Orkan im Freien überrascht wurden, wurden zu Boden geschleudert
und konnten sich nicht mehr erheben.
In Oberdorf musste auch ein Todesopfer beklagt werden. Eine 58-jährige
Frau hatte in einem Nachbarhof in einem Schuppen Unterschlupf gesucht,
der unter der Gewalt des Sturms zusammenbrach. Die Frau konnte nur noch
tot geborgen werden, vermutlich erlag sie einem Herzversagen. Als die
Menschen nach dem Orkan ihre Häuser wieder verlassen konnten, standen
sie vor einem gewaltigen Trümmerfeld. Ein Augenzeuge berichtete später:
Die Bombardierung von Augsburg, die er im Zweiten Weltkrieg hatte erleben
müssen, sei vergleichbar gewesen mit der Katastrophe, die sich in Oberdorf
abspielte. Ein weiterer Beobachter meinte, die Ortschaften sähen schlimmer
aus als nach einem 14-tägigen Artilleriebeschuss. Viele weitere Dörfer
machten einen ähnlichen Eindruck. Rund hundert Gehöfte waren insgesamt
betroffen.
Immense
Schäden traten auch in der Infrastruktur auf. Alle Stromkabel und Telefonleitungen
waren abgerissen, die Straßen von Trümmern übersäht und von umgestürzten
Bäumen blockiert. Feuerwehren und viele Einsatzkräfte waren bis zum Umfallen
gefordert.
Der
damalige Kreisbrandinspektor Paulus Glaswinkler, der während des Unwetters
zufällig in Tandern weilte, alarmierte sofort die Aichacher Feuerwehr
für eine großangelegte Hilfsaktion. Auch die Bautrupps der Isar-Amperwerke
waren voll im Einsatz. Die Bauern versuchten, ihr Vieh unter den Trümmern
zu retten, Viehställe waren nur noch ein Trümmerfeld.
Volle
zwei Stunden arbeiteten die Männer der Aichacher Feuerwehr, um nur die
Straßen zwischen Höfarten und Tandern freizumachen. Mehrere Aichacher
Wehrmänner erlitten bei diesem Einsatz Verletzungen.
Das Chaos
war unbeschreiblich, teilweise wurden die Schäden erst später offenkundig.
Einen beachtlichen Schaden hinterließ der Orkan in den Wäldern der Gegend,
die Bäume lagen kreuz und quer umgeknickt und gesplittert am Boden, Waldstücke
mussten abgeholzt werden, 100 000 Festmeter Holz waren vernichtet.
Das
schwere Unwetter machte auch vor den Kapellen nicht Halt, die Niederdorfer
Kapelle wurde so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden musste.
1965 wurde an gleicher Stelle von der Familie Kreitmeir eine neue Kapelle
zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit errichtet. Im Inneren erinnert eine
Gedenktafel an das große Unwetter. Bei der Wieskapelle in Tandern wurde
der Turm abgerissen, die Kapellen in Schmarnzell und Rudersberg waren
ebenfalls betroffen. In Thalhausen stürzte ein Steinkreuz vom Kirchdach,
auf dem Friedhof fielen mehrere Grabsteine um.
Bayerns
damaliger Innenminister Otto Bezold und Regierungspräsident Dr. Mang kamen
zusammen mit dem Landrat Max Glötzl in das Katastrophengebiet. Der Landkreis
gab eine Soforthilfe von 100 000 Mark, außerdem wurde ein Katastrophenfond
eingerichtet. Das damalige Chaos lockte natürlich auch viele Schaulustige
aus der weiten Umgebung an. Die Zufahrtsstraßen waren von den Neugierigen
oft zugestellt, so dass es zu Behinderungen für die Hilfskräfte kam. Das
Landratsamt ließ daraufhin Straßen für Privatfahrzeuge sperren.
Wegen der
ungeheuren Schäden und Verwüstungen wurden Pioniereinheiten aus München
und Ingolstadt sowie Einheiten der Bereitschaftspolizei aus Eichstätt
und Würzburg in das Aichacher Kreisgebiet abgestellt. Da die Wasserversorgung
gefährdet war, übernahmen zunächst Tankfahrzeuge der Feuerwehren Aichach
und Fürstenfeldbruck die Wasserversorgung. In den ersten Tagen nach der
Katastrophe hatten Funkwagen des Präsidiums der Bayerischen Landespolizei
notdürftig die Nachrichtenverbindungen aufrechterhalten.
In den folgenden
Monaten wurde ein Kraftakt ohnegleichen für die Aufbau- und Aufräumungsarbeiten
erforderlich, alle Handwerksbetriebe der Umgebung mobilisierten sämtliche
Kräfte, so dass noch vor Wintereinbruch weitgehend die Häuser und Stallungen
wieder instand gesetzt oder zumindest notdürftig nutzbar gemacht wurden.
Am Freitag, 18. Juli, findet in der Kapelle in Niederdorf ein Gottesdienst
zum 50. Gedächtnis an die Naturkatastrophe statt.
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