Friedhofskapelle
in INDERSDORF
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Beschreibung
Der Friedhof an der Straße
nach Straßbach wurde 1868 als Spitalfriedhof beim damaligen
Distrikts-krankenhaus angelegt. Schon wenige Jahre später,
1877/78, hat man ihn erweitert.
Die Kapelle dürfte erst
10 Jahre später erbaut worden sein, weil der Plan mit dem Grundriss
aus dem Jahr 1888 stammt.
Die letzten Beerdigungen fanden in den 1960er Jahren statt. Die
meisten der Gräber sind eingeebnet; an einigen stehen noch
Kreuze aus Holz oder verrostetem Metall.
Die Friedhofskapelle wurde
in den Stilformen des Historismus (hier: Neugotik) erbaut. Historismus
nennt man die im ausgehenden 19.Jh bevorzugte Stil-richtung, die
die alten Stilformen der Romanik, der Gotik und sogar des Barocks
nachempfunden und oftmals auch vermischt hat.
Auf der durch gelbe Lisenen
gegliederten Südwand sitzt ein relativ großer Dachreiter
mit Traufgesims, Schalllöchern und Spitzhelm, der von einem
großem Kreuz auf dem Metallknopf überragt wird.
Vor einigen Jahren musste der Dachreiter durch einige Metallstreben
(über dem Eingang im Inneren) stabilisiert werden.
Im Turm hängt ein kleines Glöckchen, das von der Kapelle
aus mit einem Strick geläutet werden kann.
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Über dem schön geformten neugotischen Portal ist an der
Frontseite ein Gemälde
angebracht, das Jesus am Kreuz und darunter Maria und den Apostel
Johannes zeigt. So wie es der Evangelist Johannes in Kap.19 Versen
25 u. 26 beschreibt.
Das Gemälde strahlt viel Bewegung aus; ein starker Wind scheint
die Kleidung und die Haare und sogar die Schrifttafel mit den Buchstaben
INRI zum Flattern zu bringen. Die Füße Jesu sind mit zwei
Nägeln neben-einander an das Kreuz geheftet; eine beliebte Darstellung
in den Jahrzehnten vor 1900. Maria ist in ein Gewand in den traditionellen
Farben Rot und Blau gekleidet. In ihrer Hand hält sie das Tränentüchlein.
Der Apostel Johannes ist -wie auf Aposteldarstellungen üblich-
ohne Bart und barfüßig dargestellt. Um das Kreuz hat sich
die Schlange des Paradieses gewunden, ein Zeichen, dass die Erbsünde
durch Christi Tod über-wunden ist. Ein Totenschädel neben
dem Kreuz stellt die Gebeine von Adam dar. Nach der Legende soll Adam
auf Golgatha begraben und Jesus über diesem Grab gekreuzigt worden
sein. Im weit entfernten Hintergrund sind auf dem Gemälde links
die Doppeltürme der Klosterkirche von Indersdorf zwischen Bäumen
und Büschen zu sehen. |
Vergrößerung
durch Mouseklick
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Steintafel
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Eine Steintafel
am Eingang gibt Auskunft über die Besitzverhältnisse:
"Maroldstraße Alter Friedhof, 1868 von der Gemeinde Indersdorf
für das gemeindliche Krankenhaus und Altersheim errichtet von
1892 bis 1985 im Besitz des Landkreises Dachau - Kreisfriedhof,
seit 1985 wieder im Eigentum des Marktes Indersdorf".
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Innenausstattung
Noch 1971 hatte es im Heimatbuch
des Landkreises und der Stadt Dachau (siehe Quellen) geheißen, "die
Kapelle ist ohne Einrichtung". Dabei ist das kleine Gotteshaus schon
seit seiner Erbauung stilecht eingerichtet. Möglicherweise war 1971
die Kapelle wegen der Renovierung geräumt oder es handelte sich um
eine irrtümliche Notiz.
Denn im Inneren überrascht den Eintretenden die schöne und augenscheinlich
gut gepflegte Einrichtung. Schon seit einigen Jahren wird die Kapelle
von den Kindern Jonas und Daniel Fondaj betreut, die zusammen mit ihrer
Oma das Gotteshaus regelmäßig putzen und lüften.
An der Rückwand der Kapelle
steht der Altar. Der Altarblock ist mit einem Antependium aus blau-grau
bemaltem Holz gestaltet. Verziert ist das Antependium mit drei Felderungen,
in denen vergoldete Holzprofile verschiedene neugotische Ornamente bilden.
Es sind Drei- und Vierpassformen und ein Kreuz, aus dem stilisierte Weinstöcke
treiben. Die beiden Engelsfiguren sind später aufgeklebte Papierbilder.
Blickfang der Kapelle ist die Kreuzigungsgruppe über dem Altar. Das
Kruzifix zeigt Christus
trotz der Wunden nicht als Leidenden sondern als im Tod Triumphierenden,
so wie dies in den ersten 1000 Jahren des Christentums und auch im 19.Jh
üblich war. Das Haupt Christi ist von einem geschnitzten Blatt- und
Blütenkranz umgeben. Unter
dem Kreuz stehen auf dem Altartisch die Figuren der Gottesmutter Maria
und des Apostels Johannes.
In der Mitte des Altars ist der
Nachdruck eines Muttergottesbildes angebracht, das von einem Gebinde aus
künstlichen Blumen umrahmt wird.
Bänke und Fenster
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Bänke
bieten Platz für einige Besucher. Sie sind in den Stilformen des Historismus
gestaltet und dürften wohl aus der Erbauungszeit der Kapelle
stammen.
Die
Fenster haben neugotische
Spitzbogen.
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Portal und Opferstock
Ebenfalls noch
der Erbauungszeit zuzurechnen ist die rundbogige Eingangstüre.
Ein vergittertes und durch ein Metalltürchen von außen
verschließbares Fenster gibt den Blick ins Innere der Kapelle
frei. |
Opferstock im
Eingangsportal
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Das
Besondere an dieser Türe ist der darin eingebaute Opferstock.
Der Einwurfschlitz liegt außen und führt zu einem gut gesicherten
Metallbehältnis an der Innenseite der Türe. |
Bilder an den Wänden
Die
Kapelle ist architek-tonisch einer der wenigen noch stilrein erhaltenen
Bauten des Historismus im Landkreis Dachau. Dazu passen auch die Grund-ausstattung
der Einrich-tung, der Altar, die Bänke und das Portal. |
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Dieser
Eindruck wird beeinträchtigt durch die vielen an den Wänden
hängenden Drucke von Heiligenbildern. Deren unterschiedliche
Größe, Gestaltung und Anordnung erzeugt ein unruhiges Gesamtbild
und lenkt vom Blick auf den Altar ab. |
Friedhof
In den Gräbern ruhen viele Flüchtlinge
und Vertriebene aus Schlesien und dem Sudetenland, die in den Nachkriegsjahren
ohne Angehörige verstarben. Auch ein italienischer und fünf französische
Soldaten waren hier beigesetzt; sie wurden aber später exhumiert
und in ihre Heimat überführt.

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Auch 34 Kinder
sind hier bestattet. Dabei handelt es sich um den unerwünschten
Nachwuchs von Zwangsarbeiterinnen, die im Zweiten Weltkrieg aus
Polen, der Ukraine und Russland nach Deutschland zum Arbeiten geholt
worden waren. Diese sog."rassefremden" Kinder, die aus
Vergewaltigungen oder auch aus Liebesbeziehungen stammten, waren
den Nazis ein Dorn im Auge, weil sie die Arbeitskraft der Mütter
minderten. Sie wurden schon als Säuglinge in das Kinderheim
im Kloster Indersdorf oder in die Kinderbaracke an der Klostermauer
abgeschoben, wo sie nur eine mangelhafte Pflege und Ernährung
erhielten und oft sehr früh gestorben sind. In den Sterbeurkunden
wurde dies mit "angeborener Lebensschwäche" beschönigt.
Von September 1944 bis Mai 1945 verstarben
34 von 69 Kindern
aus der Kinderbaracke.
An sie erinnern Holzstelen,
die 2006 von Schülern aufgestellt wurden.
2021 ersetzten
die Schüler
die Holzstelen durch Stelen
aus Metall.
Seit 2013 steht der Friedhof unter Denkmalschutz
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Am 12. September
2021 eröffnete der Heimatverein Indersdorf den "Weg des Erinnerns".
Der Feldweg führt vom Kindergarten Sankt Vinzenz zum heutigen Bezirksfriedhof
an der Maroldstraße. Fünf Infotafeln erinnern an das Schicksal
der Kleinkinder, die in der Baracke starben, sowie an das der Waisenkinder,
die nach dem Krieg im Kinderzentrum im Kloster Indersdorf unterkamen.
Wo liegt der Weg des Erinnerns... Zur
den einzelnen Infotafeln ...
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Die
VHS-Indersdorf hat im Rahmen der vom Bayerischen Rundfunk
unterstützten
Hörpfade über den Friedhof und die Lebensumstände der
dort begrabenen Kinder
ein beeindruckendes Hörbild erstellt.
Wenn Sie es hören möchten, klicken
Sie hier..
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Quellen:
Heimatbuch des Landkreises und der Stadt Dachau, 1971
Dachauer Nachrichten v. 7.9.2005
Dr.Birgitta Unger-Richter, 19.7.2013 (Denkmalschutz)
Viola Bernlocher, Die Baracke an der Klostermauer, Süddeutsche Zeitung,
Bayernteil, v. 5.12.2014 (Kinderbaracke)
17 Bilder: Jonas Fondaj (1), Hans Schertl (16)
25.2.2022
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