Ehem. Kapelle zu Ehren des hl.Johannes Baptist
in HARRESZELL
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Harreszell
auf der Landkarte von Philipp Apian 1568
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Beschreibung
Harreszell könnte
wie Arnzell eine fränkische Mönchsniederlassung
aus der Zeit des hl.Alto sein (um 800). Der Name weist auf
einen Eremiten der wohl Flachs erntete und trocknete. Flachs
hieß im Mittelhochdeutschen "har", im Althochdeuten
"haro". 01)
Schriftlich erwähnt wurde die Einöde erstmals 1345
02) oder
1314 01)
im Zusam-menhang
mit Otto von Harreszell, der einem Freibauerngeschlecht angehörte
02) ,
das bis 1421 auch einen Hof in Aychstock (Eichstock) und von
1346-1368 den Ketterhof (heute Kattalaich) besaß. 01)
Die
Herren von Harreszell waren sog. Einschildritter, das war
innerhalb der sieben Ränge zählenden Heerschildordnung
die zweitniedrigste Stufe. Sie besaßen zwar ein Wappen,
aber kein Siegel. 03)
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Ob schon 1345 eine Kapelle
am Hof existierte (und schriftlich genannt wird), wie in Wikipedia
behauptet 02)
oder erst eine Urkunde aus
dem Jahr 1410 auf die Kapelle zu Ehren des hl.Johannes Baptist
hinweist, wie Fischhaber/Kröner 01)
berichten, müsste
noch geklärt werden. Der Text in der Urkunde von 1410 lautet:
"Der gefrewt Sedlhof Herriszell ist ein gefrewte Hofmarch.
Gericht, Herrlichhait, Grunt vnd Podin mitsampt der Capellen Sand
Johannis, Zehent klain vnd groß, pfärrliche Recht vnd
allen Sachen ist vnsers wirdigen Gotzhauß freyß Aigen,
darein nyemant ze pieten hat dann wir."
Jedenfalls befand sich
die Kapelle an der Stelle, an der heute der alte Stall steht.
Von ihr ist bekannt, dass sie als Grundriss ein regelmäßiges
Achteck (wie Taufkapellen) hatte, mit einer Länge/Breite von
immerhin 10 Metern.
Im Turm hingen 2 Glocken. 1410 sollen sich der Sedelhof wie auch
die Kapelle St.Johann darin in einem desolaten Zustand befunden
haben. Das ergibt sich aus zwei Urkunden dieses Jahres, in denen
der Freisinger Bistumsadministrator Ulrich von Wal zu Spenden und
Almosen für die darniederliegende Kapelle S.Johannes Baptistae
aufrief. Der Aufruf hatte Erfolg. Denn 1416 konnte Weihbischof Albert
die Kapelle auf Bitten des Indersdorfer Propstes Erhard Prunner
einweihen.
Harreszell
gehörte im 15.Jh. zur Pfarrei Glonn und nicht -wie zu erwarten
wäre- zur Pfarrei Langenpettenbach. Patronatsherr der Kapelle
war das Stift Indersdorf. 03)
Seit 1443 gehörte
der Hof in Harreszell dem Kloster Indersdorf 02).
Hier besaß das Stift die Hofmarksgerechtigkeit. Und die pfarrlichen
Rechte waren schriftlich niedergelegt:
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"Häriszell oder herren zell mit sampt der capelln
Sand Johanns. sedlho. purchstal. grunt und podn mit seinen einfengen.
ein gefrewt hofmarch ist unsers wirdigen gotzhauß. dorfgericht.
herrlichait. zehent klain und groß. pfärrlich recht.kirchträcht
unnd ehafft. hat nyemant nichts da zepiem dann wir. und ist
unser gantz freys aigen mit sampt der weyerstat. auß unnd
ein gegen. wünn. waiden. wassern. holtzen. unnd holtz gründen
und wißmaten". 04)
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Als der Kartograph Philipp
Apian seine Bayerischen Landtafeln zeichnete, war Harreszell
so bedeutend, dass er den Ort -anders als z.B. bei Arnzell- mit
Gutshof und Kapelle in seine Karte einzeichnete.
05)
Philipp Apian war der bedeutendste bayerische Kartograph seiner
Zeit. Er wurde 1531 in Ingolstadt als Sohn des aus Sachsen
stammenden Mathematikprofessors Peter Bienewitz (latinisiert:Apian)
geboren und trat die Nachfolge seines Vaters an der Uni-versität
Ingolstadt an. Sein Lebenswerk war die erste Landesaufnahme
des Herzog-tums Bayern. 1563 schon hatte er eine erste große
Karte des Herzogtums im Maß- stab von ca. 1:45.000 fertig
gestellt. Eine Verkleinerung dieser sehr unhandlichen Karte
stellen die "24 Bairischen Landtaflen" (jeweils
40 mal 30 Zentimeter) im Maß- stab von ca. 1:140.000
dar, die 1568 vom Züricher Formschneider Jost Amman in
Holz geschnitten und vom Maler Bartel Refinger koloriert wurden.
Die Genauigkeit der Landkarten wurde erst im 19. Jh übertroffen;
noch Napoleon benutzte sie für den Einmarsch in Bayern.
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Apian-Karte von 1568
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Apian musste noch im Jahr des
Erscheinens seines Werkes (1568) nach Tübingen emigrieren, weil
er "der Reformation zugetan" war. Er starb dort 1589.
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Übrigens:
Auch auf einer Landkarte
aus dem Jahr 1607 (Palatinatus
Bavariae) ist zwischen
Indersdorf, Aichach und Freising nur Harreszell unter der Ortsbezeichnung
"Herrezel" eingezeichnet. |
Der Konvent in Indersdorf
ließ die Kapelle in Harreszell 1718 neu errichten.
Aus dem Jahr 1756 hat
sich ein Bericht erhalten, dass die Kirche St. Johann Bapt. in Harreszell
Endpunkt des jährlichen Bittgangs der Langenpettenbacher und
Arnzeller zur Brunnenkapelle bei Wagenried. Dort heißt es:
Nach der Ausspeisung (in der Brunnenkapelle) zogen die Langenpettenbacher
mit den nach Hause kehrenden Arnzellern zur Kirche St. Johann Bapt.
in Harreszell, wo nochmals gebetet wurde, der Pfarrvikar eine kurze
Predigt hielt und den Schlusssegen erteilte".
07)
02)
Nach der Klosteraufhebung 1783 fielen der Hof und die Kapelle an
den bayerischen Staat. Der wusste mit der Kapelle nichts anzufangen
und brach sie 1791 ab.
Zu Beginn des 19.Jh. siedelten
sich in Harreszell Mennoniten aus der Pfalz an, die später
nach Nordamerika auswanderten 02).
Eine gewisse Bedeutung bekam
Harreszell im und nach dem 2.Weltkrieg. 1943 wurde zwischen Langenpettenbach
und Wagenried eine Luftbeobachtungsstelle "Nachtjagd-Leitstelle
AAL Harreszell" gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten
die dazugehörigen Baracken den Flüchtlingen aus dem Osten als Unterkunft;
ebenso 1956, nach dem Ungarnaufstand. 02)
Hans Schertl
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Quellen:
01) Jakob Fischhaber u. Josef Kröner,
Langenpettenbach früher und heute, 1987
02) Wikipedia, Harreszell, 2009
03) Prof.Dr.Wilhelm Liebhart, Ländliche
Rechtsquellen aus dem Stift Indersdorf, Amperland
04)
Hans Kornprobst, Die inkorporierten Pfarreien und Kirchen des Augustinerchorherrenstifts
Indersdorf, Amperland 2004/2
05)
Bairische Landtaflen, vierundzwanzig Apian, Philipp . Amman, Jost . Wolf,
Hieronymus, Bayerische Landesbibliothek Online
06)
Bayer.Landesbibliothek Online - Palatinatus Bavariae (Hondius,
Jodocus: Atlas Minor ; 431) Sign. 4 Mapp. 65-431
07) Robert Böck,Wallfahrt im
Dachauer Land, Bd 7 der Kulturgeschichte des Dachauer Landes , 1991
3 Bilder: Schertl
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