zur Landkreiskarte            

Hofkapelle St.Josef in Grasslfing beim Haderecker


Beschreibung

Die Hofkapelle St.Josef wurde in den Jahren 2016-2018 vom Wirtsehepaar Ernst und Monika Sirtl am Südende des Parkplatzes der Tafernwirtschaft Haderecker im Graßlfinger Moos errichtet und am 22.Juli 2018 durch Pfarrer Josef Steindlmüller von Esting-Olching und Pfarrer Martin Joseph aus München-Allach feierlich gesegnet 05).

Den Anstoß für den Kapellenbau und die Wahl des Patrons St.Josef gab der Josefiverein Graßlfing-Allach, dessen stellvertretender Vorsitzender Ernst Sirtl ist. Der Verein, der sich der Brauchtumspflege rund um den Josefitag verschrieben hat, übernimmt auch die Patenschaft für das kleine Gotteshaus. Der Bau der Kapelle ist aber auch Ausdruck der Dankbarkeit der Eigentümer für ihre fünf Kinder und drei Enkel.

Planung
Sirtl hatte sich lange mit den Bau beschäftigt. "Ich hab mir immer wieder Kapellen angeschaut und die alten haben mir einfach am besten gefal-len", sagte er dem Münchner Merkur
02). 2017 begann er mit der Um-setzung seiner Vorstellungen. Als Architekten konnte er den Olchinger Bauamtsleiter Markus Brunnhuber gewinnen. Einen weiteren Handwerker fand er durch Zufall unter seinen Stammgästen. Der Gröbenzeller Thomas Decker kam bereits seit 30 Jahren zum Haderecker, als Sirtl, ganz nebenbei, erfuhr, dass Decker einen Stuckateurbetrieb leitet. 02)

Bau
Vor dem eigentlichen Bau mussten aber erst umfangreiche Erdarbeiten erledigt werden. Der gewachsene Untergrund war nicht fest genug. "Wir haben deswegen einen Bodenaustausch gemacht", sagt Sirtl. 13 Last-wagen-Ladungen Erdreich mussten entfernt, mit Schotter und Kies auf-gefüllt und schließlich die Grundplatte betoniert werden. Den Bauherren war es ein Anliegen, dabei so wenig Fläche wie möglich zu versiegeln. Beim anschließenden Bau halfen zehn Mitglieder des Josefivereins über mehrere Wochen mit.
03)

Traditionelle Bautechnik
Eine Besonderheit der Kapelle ist, dass bei ihrer Errichtung ausschließlich Materialien und Techniken verwendet wurden, die im Kapellenbau Tradition haben. Die 2500 Ziegelsteine stammen vom Abriss eines alten Bauernhauses 03). Sie sind mehr als 100 Jahre alt und wurden noch im alten Reichsformat gebrannt. 02)
Die Eingangstüre wurde aus dem Holz einer 120 Jahre alten früheren Schultreppe aus Giesing gefertigt 01). Die Granitschwelle besteht aus einem umgearbeiteten Grabmal. Der Verputz wurde nicht mit einer Maschine an die Wände gespritzt, sondern von Hand aufgetragen bzw. geworfen. Diese Technik beherrschen nur noch wenige Handwerker; ein 78-jähriger Maurer übernahm diese Aufgabe. Für die Fassadenfarbe wurde, wie früher üblich, Löschkalk verwendet. Dieser Baustoff wird bereits seit Jahrhunderten eingesetzt, ist aber heute nur noch selten in Gebrauch. Für den Bau musste er selbst hergestellt werden. Die Fenstergläser und Rahmen sind handgearbeitet 02) Am Gebäude gebe es keinen einzigen Kompromiss, was den Einsatz traditionellen Handwerks angehe, sagte der Vorsitzenden des Josefivereins, Josef Feig.01)

Baubeschreibung
Die Kapelle ist nun ein rechteckiger Bau mit einer Grundfläche von neun Quadratmetern. Der etwas eingezogene Chor schließt halbrund in einer Apsis. Das Dach ohne Überstand ist mit Biberschwanzziegeln (Kirchenbiber) gedeckt 03)
. Kirchenbiber-Ziegel sind dicker als normale Biberschwanz-Ziegel, haben eine farbige Beschichtung und sind von hoher handwerklicher Qualität. Zwei hohe Fenster in barocker Form geben dem Raum Licht. Über dem rundbogigen Portal ist außen am Giebel ein Kreuz mit geflammten Strahlen zwischen den Kreuzbalken angebracht.

Innenausstattung

Die Apsis und die Decke sowie das Feld über dem Eingang sind ausgemalt. Die Bilder stammen von der ungarischen Kirchenmalerin Eszter Segattini-Csávás. Die Künstlerin wurde 1980 in Budapest geboren. Bis 2003 studierte sie in Pécs/Ungarn. Seit 2004 lebt und arbeitet sie in München. 04)

Das Apsisgemälde zeigt in einem Wolkenfenster den relativ jungen Josef, der mit einladenden Armen über eine (durch den Altar etwas verdeckte) Treppe auf die Betrachter zuzugehen scheint.
Neben ihm steht eine Werkbank; im Hintergrund lehnt eine Schreinersäge an der Wand. Ein Engel trägt das Attribut von Josef, die Lilie der Reinheit.
Zwei Englein über dem Heiligen halten ein Spruchband mit dem Text: "Heiliger Josef bitt für uns". Dahinter kommen Gnadenstrahlen aus den Wolken.

Hinweis: Joseph war der Vater Jesu - oder Zieh-vater Jesu, da nach altchristlicher Überzeugung Jesus der Sohn Gottes ist und durch den Heiligen Geist im Schoß der Jungfrau Maria gezeugt wurde. Joseph stammte aus dem Geschlecht des Königs Davids, aus dem nach dem Zeugnis des Alten Testaments der Messias hervorgehen werde. Er lebte als Zimmermann in Nazareth.
Gedenktag: 19. März

Auf dem Chorbogen wird auf die Erbauer hingewiesen:
"Erbaut von Familie Sirtl - A.D. 2018 - Josefiverein Graßlfing-Allach."

Deckengemälde

Die Sekkomalerei an der Decke des Innenraums zeigt die Heilige Familie auf einer Wanderung (sog. Heiliger Wandel). Darüber fliegt die Heilig-Geist-Taube, die Gnadenstrahlen herabsendet.

In den Wolken schweben drei kleine Engel, wie sie in der traditionell-westlichen Kirchenmalerei selten sind; denn zwei der Engel sind dunkelhäutig. Ähnlich wie die hell- und dunkelhäutigen Engelsfiguren auf dem Hochaltar in Indersdorf.
"Zwei von unseren drei Enkelkindern sind adoptiert und sie haben auch eine dunklere Hautfarbe", sagt Sirtl. "Wir haben mit Absicht zwei der Engel mit brauner Haut malen lassen, denn wir wollen auch ein bisschen Weltoffenheit damit zeigen."
Ungewöhnlich ist auch das Attribut des obersten Engels: er hält einen Kochlöffel in der Hand.

Über dem Ausgang sind auf die Wand zwei sich gegenseitig umgreifenden Hände, eine hell, die andere dunkel, gemalt.
Umschlungen werden sie von einer Banderole, die den Schriftzug trägt: "Reicht euch die Hände, wir sind alle Brüder und Schwestern."
Eine Mahnung an die Besucher beim Verlassen der Kapelle.


Die Kapelle ist als Ort der stillen Andacht gedacht. Sie soll ein Platz zum Innehalten und zum Reflektieren sein. Aber auch ein Ort, der eine ganz klare Botschaft für seine Besucher bereithält: dass ein friedliches Miteinander keine Frage der Herkunft sein sollte. Außerdem soll die Kapelle ein Ort für alle werden, nicht nur für Christen, betont der Gastwirt.

Hans Schertl


Quellen:
01) Julia Bergmann, Olching, Eine Kapelle aus Dankbarkeit, Münchner Merkur v. 27.05.16
02) MERKUR-Online vom 11.07.2018
03) MERKUR-Online vom 16.6.2017
04) Internetseite von Eszter Segattini-Csávás
05) Interkulturelle Kapelle, Münchner Kirchenzeitung vom 12.August 2018

Bilder: 5

26.4.2022