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Friedenskirche in DACHAU

Adresse: 85221 Dachau, Uhdestraße 2
Lage der Kirche auf der Landkarte ...
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alle Kirchen und Kapellen in der Stadt Dachau

Beschreibung

Die Friedenskirche ist die älteste Kirche der evangelische
Christen in Dachau, die hier erst seit rd. 100 Jahren eine eigene Kirchengemeinde haben. ... mehr zur Geschichte der Kirchengemeinde...

Über zwei Kunstwerke ist die Kirche mit der Familie des im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ermordeten evang. Theologen Dietrich Bonhoeffer verbunden: Durch ein Gemälde und einen siebenarmigen Leuchter.
Die heutige Kirche an der Uhdestraße wurde 1953 nach Plänen des Architekten Gustav Gsaenger (1900-1989) für 300.00 Mark 20) errichtet. Das Gotteshaus ist einer schönsten Kirchenbauten der Nachkriegszeit im Landkreis. Gsaenger plante viele protestantische Kirchenbauten, von denen uns die Matthäuskirche und die Markuskirche in München am besten bekannt sind.

... mehr über Gustav Gsänger...

Der Name Friedenskirche wurde gewählt :
• wegen der Schrecken des nur kurz zurück-
   liegenden 2.Weltkrieges
• wegen der Verbrechen im nahen Konzentra-
   tionslager
• wegen der vielen Flüchtlinge und Vertrie-
   benen aus dem Osten.

Der Name soll die Hoffnung auf den göttlichen Frieden ausdrücken.


Der insgesamt 31 m hohe Turm besitzt ein 20 m hohes Spitzdach.
In ihm hängen drei Glocken (an Stelzenjochen), die 1951 gegossen wurden.
• Die erste Glocke erklingt im Grundton g'; auf ihr der Text "O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!".
• Zweite Glocke: Ton b'; Text: "Haltet an am Gebet".
• Dritte Glocke: Ton c''; Text:"Ich will den Herren loben allezeit".
Im Erdgeschoss des Turmes ist die Sakristei eingerichtet.

Künstlerisches Konzept

Architekt Gsänger lieferte eine ausführliche Begründung für sein gewähltes künstlerisches Konzept:

Der Grundriss der Kirche gleicht einem Ei, in dessen Spitze sich der Altarraum befindet. Die für die damalige Zeit revolutionäre Rundform des Kirchenschiffs sollte die Gemeinschaft derer betonen, die aus der Not kommen.

Nach seiner Intention ist schon der Eingang ein Symbol: Das vorgezogene Überdach beschützt die Kommenden und behütet sie wie das Nest den Vogel. Wegen des moorigen Untergrundes ist das Bauwerk auf einen Pfahlrost aus Beton gestellt. Das Dach ist mit Holzschindeln gedeckt.
Die bis zum 2.Weltkrieg übliche Trennung zwischen Altar und Gemeinde ist nicht mehr vorhanden. Der Kirchenbau soll -so Architekt Gsaenger- "eine steinerne Predigt, nicht nur für die derzeit lebende Gemeinde, sondern für Menschen der nächsten Jahrhunderte sein".

Gsaenger hatte dieses Grundkonzept bereits für eine von ihm geschaffene kleine Kirche im Walsertal entwickelt und im Verlauf seines weiteren Schaffens beim Entwurf und Bau der Münchner Matthäuskirche fortgesetzt.

Diese Grundkonzeption, Altar und Gemeinde in einen großen Kreis zu integrieren, stellte einen Schritt ins Neuland des evangelischen Kirchenbaus dar.

Kreuzigungsgruppe

Der Innenraum wird optisch von einer großen Kreuzi-gungsgruppe mit Maria und Johannes unter dem Kreuz beherrscht. Doch die Gestalten der Gruppe wirken trotz ihrer Größe feingliedrig, schmal und verletzlich. Die Gruppe orientiert sich nach Angaben des Architekten an gotischen Vorbildern.
Dies gilt nicht nur für die Farben, die sehr dezent gehalten sind, sondern auch für die Körperform, die die gotische Darstellung mit dem Einknicken in der Hüfte (sog. gotischer Knick) nachvollziehen.

MariaChristus am KreuzKanzelJohannesSiebenarmiger LeuchterBild von Gräfin Kalckreuth
per Mouseklick zu den Beschreibungen
Übergroß im Verhältnis zu den Personen unter dem Kreuz hängt der leidende Christus am Kreuz. In seiner ganzen Härte wird der menschliche Schmerz dem Betrachter zugemutet. Doch zugleich ist der große Schmerzensmann der Segnende: seine Arme reichen über die unterm Kreuz Stehenden hinaus und umschließen die ganze Gemeinde.

Christus am Kreuz
Hinweis: Ein Kruzifix (crux= Kreuz, fixum= ange-heftet) ist die Darstellung des am Kreuz hängenden Christus. In den frühchristlichen Kirchen wurde das Kreuz ohne den Corpus (Körper) des Gekreuzigten angebracht, weil die Kreuzigung als eine schändliche und würdelose Art der Hinrichtung galt (wie vor kurzem bei uns der Galgen). Auch in der jüdischen Tradition war nach dem Alten Testament (Buch Dtn 21,22) jeder Gekreuzigte (ans Holz Gehängte) ein "von Gott
  Verfluchter". Ab dem 4.Jh wurde Christus am Kreuz als lebender und über den Tod triumphierender, göttlicher Sieger mit geöffneten Augen und in aufrechter Haltung dargestellt. Erst im hohen Mittelalter (etwa seit dem 12. Jh) setzte sich die Abbildung des leidenden oder toten Gekreuzigten, und damit die Betonung des Menschseins Jesu durch, wie wir es von unseren Kirchen kennen. Während der Kruzifix in katholischen Gegenden bis heute weite Verwendung in verschiedensten Anbringungs- und Verwendungsformen findet, wurde er in der Reformation neuen Regeln unterworfen: die reformierte (bzw. calvinistische Kirche) verzichtete gänzlich auf die Darstellung des Gekreuzigten, in der lutherischen Kirche ist sie seit dem 17. Jh. wieder nachweisbar und inzwischen auch die Regel.

Unter dem Kreuz beugt Maria ihr mütterliches Haupt. Sie kann den geschundenen Sohn nicht anschauen. Ihre Arme sind im Leid vor der Brust verschränkt, doch eine Hand zeigt auf Jesus. Er ist unser Friede.
            
Maria und Johannes
Johannes hält sich mit einer Hand bedeckt, die andere scheint den Zweifel zu bergen. Sein Blick schwankt zwischen Staunen und Trotz, zwischen Glauben und Zweifel. Der Apostel Johannes, der unter dem Kreuz stand, war der Bruder des Jakobus' des Älteren und von Beruf Fischer. Er war erst Anhänger von Johannes dem Täufer und wurde dann Jesu "Lieblingsjünger" (Joh.19, 26).


S
iebenarmiger Leuchter


Neben dem Altar steht ein siebenarmiger Leuchter: als Sinnbild für das Alte Testament und als Zeichen für die Verbindung mit dem Judentum als unseren religiösen Wurzeln. Die Menora wurde von Prof. Dr.Karl Bonhoeffer gestiftet, einem Neffen des lutherischen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer und zugleich Ur-Großneffe der Malerin Marie von Kalckreuth, die das große Bild auf der Empore mit dem "Titel Jesus nimmt den Sünder an" (s.u.), schuf.   17)

Menora

Vorbild ist der siebenarmige Leuchter, der im zweiten Tempel von Jerusalem stand (Menora). Dieser Leuchter wird in der Bibel als Baumsymbol verstanden. So ist im Buch Exodus zu lesen:
  "Der Leuchter, sein Gestell und sein Schaft, seine Kelche, Knospen und Blüten waren aus einem Stück getrieben. Von seinen Seiten gingen sechs Arme aus, drei Leuchterarme auf der einen Seite und drei Leuchterarme auf der anderen Seite. Der erste Arm wies drei mandelblütenförmige Kelche auf mit je einer Knospe und einer Blüte, und der zweite Arm wies drei mandelblütenförmige Kelche auf mit je einer Knospe und einer Blüte, so alle sechs Arme, die von dem Leuchter ausgingen ... Die Knospen und Arme bildeten mit dem Schaft ein Ganzes". (Ex 37,17b-19.22a).

Bei der Zerstörung dieses Tempels im Jahre 70 n.Chr. ließ der damalige Feldherr und spätere Kaiser Titus die goldene Menora nach Rom bringen und 81 n. Chr. auch auf seinem (heute noch erhaltenen) Triumphbogen darstellen. Die Menora besteht aus einem Mitteldorn mit drei hufeisenförmigen, untereinander angeordneten Armen. Da die unteren Arme jeweils höher hinaufreichend ausgeführt sind, schließen sie oben mit dem Mitteldorn in einer Ebene ab. 1948 wurde die Menora zum offiziellen Emblem des neugegründeten Staates Israel erklärt.

 

Kanzel

Auf der rechten Seite des Kirchenraums steht die große Kanzel, deren Schalldeckel an einem Seil von der Decke hängt. Die Predigt wurde in altchristlicher Zeit -ähnlich wie heute- von einem Ambo aus gehalten. Ab dem 13. Jh. baute man Kanzeln, die zumeist seitlich im Mittelschiff ihren Platz haben, dort, wo die Gemeinde versammelt ist. Von hier aus konnten die Prediger auch von oben herab sprechen, was ihren Worten größere Wirkung verleihen sollte. Da in den evangelischen Gottesdiensten die Verkündigung des Wortes Gottes sehr großen Raum einnimmt, hatte auch die Kanzel in den evangelischen Kirchen schon immer eine größere Bedeutung als in den katholischen Gotteshäusern.


Kanzel

Taufstein


Taufstein
Links vom Altar steht der Taufstein, ein massiver Block, in den die Vertiefung für die schöne vergoldete Taufschüssel eingelassen ist. Die Taufe der frühen Christen fand ursprünglich im Freien statt, überall dort, wo fließendes oder stehendes Wasser vorhanden war. Mit der Verlegung der Taufe in den Kircheninnenraum schuf man dort eigene Taufbecken. Als sich im 11.Jh die Praxis der Kindertaufe weitgehend durchsetzte, begann man mit der Errichtung erhöhter Taufgefäße; die Bodenbecken erwiesen sich für die Kindertaufe als weniger geeignet.

An der Südseite des Kirchenschiffes unterbricht ein übergroßes Fenster das Kirchenrund. Es dient dem Kirchenraum als maßgebliche Lichtquelle.


Blick vom Altar zur Empore
Gemälde - Gott nimmt die Sünder an

Auf der halbkreisförmigen Empore hängt an der linken Seite ein großes Gemälde der Künstlerin Marie Gräfin von Kalckreuth (1857-1897) aus dem Jahr 1897 mit dem Titel: Gott nimmt die Sünder an
. Darauf sind zwei lebensgroße Personen abgebildet: Christus, im traditionell roten Gewand, zieht einen vor ihm knienden reuigen Sünder zu sich heran. Das im Malstil an den frühen Lenbach erinnernde Gemälde wurde 1893 auf der anlässlich des 400.
Jahrestages der Entdeckung Amerikas veranstalteten Weltausstellung in Chicago mit einer silbernen Medaille ausgezeichnet. In der Kunstchronik des Jahres 1894 wird es als eines der wenigen Ausstellungsstücke auf der XIV. Berliner Ausstellung positiv beurteilt: "... eine gediegene Arbeit von kräftiger, breiter Malerei und energischer Charakteristik". Die Künstlerin schenkte das

Gott und
der Sünder
Gemälde einige Jahre später der evangelischen Kirche in Dachau zur Ausschmückung des neuen Betsaals in der Frühlingstraße. Damals gab es hier rd. 60 Protestanten, die zum großen Teil Maler der Künstlerkolonie waren.
Das 1998 renovierte Bild ist somit auch ein Zeugnis des Künstlerorts Dachau vor 1900. Frau Marie Gräfin von Kalckreuth war die Tochter des Landschaftsmalers Stanislaus Graf von Kalckreuth. Zugleich war sie die Großtante des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer, der dem Widerstandskreis um Graf Stauffenberg angehörte, hatte 1944 aus dem Gefängnis einen Weihnachtsgruß an seine Verlobte gesandt, der inzwischen 70 mal vertont wurde und eines der beliebtesten Kirchenlieder in evangelischen und katholischen Gemeinden geworden ist: "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen ...".
Die am 30.12.1857 in Düsseldorf geborene Marie von Kalckreuth lebte zuletzt in Dachau, wo sie am 13.4.1897 im Alter von 39 Jahren starb. 14)
, 19)

Orgel

Die Orgel mit 20 Registern wurde 1998 von den Orgelbauern Reinhard Frenger und Roland Eder errichtet. Sie kostete mit 300.000 Mark genau so viel wie 45 Jahre vorher die ganze Kirche. Die Pfeifen im Prospekt an der Emporenbrüstung werden mit dem 2.Manual gespielt. ..mehr zu dieser Orgel....
Im Jahr 2021 wurde die Orgel wegen Schimmelbildung um 35.000 Euro renoviert. 22)


Die Orgel von 1998 ersetzte ihre Vorgängerin aus dem Jahr 1953 mit zwei Manualen und 21 Registern, die vom Orgelbauer Rieger aus dem österreichischen Schwarzach erstellt worden war. Aus dieser 1998 abgebauten Orgel hat Organist Klaus Schnädelbach in aufwändiger Kleinarbeit eine transportable Orgel (Orgelpositiv) gebastelt. Sie besitzt 500 Orgelpfeifen und ist ein alltagstaugliches Instrument. 02)


Krippenspiel

Berühmt ist das Krippenspiel in der Friedenskirche. Es zieht viel mehr Menschen an, als in der Kirche Platz finden. Um dem großen Andrang Herr zu werden, hält die Kirchengemeinde an Heiligabend gleich drei Gottesdienste mit Krippenspiel nacheinander ab. Zudem werden die Krippenspiele live in das Gemeindehaus auf eine Videoleinwand übertragen. 02)

Denkmalschutz
Die Kirche steht als wichtiges Baudenkmal aus den Fünfziger-Jahren des 20.Jahrhunderts unter Denkmalschutz. In der Denkmalliste wird sie wie folgt beschrieben: "Aktenzeichen: D-1-74-115-101 Uhdestraße 2. Evang.-luth. Friedenskirche, Zentralbau mit angeschlossenem Campanile, mit Ausstattung; zugehörend Pfarrheim und Pfarrhaus, errichtet nach Entwurf von Gustav Gsaenger, 1952/53. nachqualifiziert"  24)

Hans Schertl

Quellen :
01)
Albrecht Köberlin, Die evangelische Kirche im Landkreis Dachau, Amperland 1968/4 (Historik)
02)
Georg Brenninger: Orgeln in Altbayern. Bruckmann, München 1982, ISBN 3-7654-1859-5.
03) Dr.Gerhard Hanke, Die Anfänge der evang. Kirchengemeinde in Dachau, Amperland 1988/4
04) Dachauer Neueste v. 15./16.Okt.1983 (Einweihung)
05) Dachauer Neueste vom 6.10.2010 (Renovierung)
06) Festschrift 40 Jahre Friedenskirche, 1993 (Historik)
07) Dachauer Nachrichten v. 14.10.1993 u
08) Dachauer Nachrichten v.1.7.1999
09) Die Orgel der Friedenskirche Dachau, 1998
10) Frenger & Eder war eine deutsche Orgelbaufirma in Bruckmühl.
 

Die Werkstätte wurde 1990 in Feldkirchen von Reinhard Frenger und Roland Eder gegründet. 2001 zogen sie nach Bruckmühl um. Sie errichteten rd. 50 Orgeln neu gebaut. Daneben wurden zahlreiche historische Instrumente renoviert und restauriert, vorwiegend im oberbayerischen Raum. Wegen der zahlreichen Neubauten war es eine der bekanntesten oberbayerischen Orgelbauwerkstätten am Anfang des 21. Jahrhunderts.   11) Nach eigenen Angaben waren die interessantesten Restaurierungen die Steinmeyer-Orgel in Gerolsbach, die große Siemann-Orgel in der Stadtpfarrkirche St. Georg, Freising, der Teilab- und Wiederaufbau mit Restaurierung der Steinmeyer-Orgel mit 74 Registern im Dom der Evangelischen Christen Münchens, der St. Lukas-Kirche, und letztlich die Arbeiten an den Orgeln des Freisinger Mariendomes, der großen Albiez-Orgel mit 52 Registern und der Chororgel der Firma Steinmeyer.  12)
Im Dachauer Land hat Frenger folgende Orgeln neu errichtet:
Friedenskirche (1998), Deutenhausen (1998), Hebertshausen (2008)
Im Jahr 2015 trennten sich die Firmengründer und führen seitdem zwei eigene Unternehmen: Orgelbau Frenger und Eder Orgelbau

11) Wikipedia Frenger & Eder, download 2016
12) Homepage der Fa. Orgelbau Frenger, 2016
13) Gerhild Düring in DACHAUER NACHRICHTEN, 1.7.1999
14) Das große Kunstlexikon von P.W. Hartmann (M.v.Kalckreuth)
15) Dachauer SZ vom 22.10.2003,
16) Eleonore Philipp, Endres Hermann-evangelischer Pfarrer in Dachau 1936-1946, 2005
17) Walther Gresser, Dachau, 2014 (Bonhoeffer, Menora)
18) Dachauer SZ vom 25./26.10.2003
19) Martin Bernstein, Christus kam bis Michigan, Dachauer SZ vom 26./27.7.2008 (Kalckreuth)
20) Dachauer SZ vom 22.Sept.2017 (300000)
21) Live-Schalte ins Gotteshaus, Dachauer SZ vom 20.12.2019
22)
Orgel in der Friedenskirche saniert, Dachauer Nachrichten vom 11.5.2021 (Orgelreparatur)
23) Organ index, freie Wiki-Orgeldatenbank, Internetseite, 2022 (Orgel)
24) Liste der Baudenkmäler -Regierungsbezirk Oberbayern Landkreis Dachau Große Kreisstadt Dachau

13 Bilder:  Hans Schertl (2001)

Kirchen und Kapellen im Dachauer Land - ein virtuelles Guckloch durch die verschlossene Kirchentür

3.2.2022

 

Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde in Dachau.

Aus der Filialkirchengemeinde erwuchs die Friedenskirche
Zum 100 jährigen Bestehen der evangelischen Kirchengemeinde


Nach dem Erlass des bayerischen Toleranzedikts durch König Max I. im Jahr 1803 konnten sich die evangelischen Christen in Bayern kirchlich organisieren. 1885 lebten in Dachau 60 ev.Gemeindemitglieder, die zum ev.luth. Pfarramt in München, später zum Pfarramt Kemmoden gehörten. Sie waren fast alle in der Papierfabrik tätig. In der Zeit der Blüte der Dachauer Künstlerkolonie nahm die Zahl der Evangelischen im Dachauer Landkreis langsam zu. Damals mussten die Protestanten in Dachau Gottesdienste in Schleißheim oder München besuchen.

1892 stellte der Dachauer Magistrat den Rathaussaal für evangelische Gottesdienste (mit 8-tägiger Voranmeldung) zur Verfügung. Doch dort waren lediglich zwölf Gottesdienste im Jahr durch einen Reiseprediger möglich.

1896
baute der spätere Vorstand der Kirchengemeinde, Mathias Rollbühler, ein Wohnhaus mit Betsaal in der heutigen Frühlings-straße 8 (damals HsNr.454). Dieses Haus konnte der Protestantische Verein e.V. im Jahr 1901 um 20.000 Mark von der Witwe erwerben.

Am 30. August 1897 informierte das Bezirksamt den Magistrat schriftlich über die geplante Auspfarrung der Protestanten Dachaus und Umgebung von Kemmoden in eine eigene Filialkirchengemeinde Dachau. Mit Ministerialbeschluss des Landeskirchenamts vom 3. Mai 1899 wurde eine protestantische Filialkirchengemeinde Dachau gegründet, die fast den ganzen Landkreis umfasste. Bei der Wahl des Kirchenvorstands Rollbühler und der drei Kirchenverwaltungsmitglieder waren lediglich 48 Personen wahlberechtigt, denn nur verheiratete Männer durften an die Urnen. Seelsorgerisch betreut wurde die Filiale von einem Reiseprediger.
Zu dieser Filialgemeinde gehörten als prominente Mitglieder Fabrikbesitzer Theophil Autenrieth, Papierfabrikdirektor Kittelberger, Kunstmaler Max v.Seydewitz, Rechtsanwalt Steger, Gutsbesitzer von Sulzemoos Frh.v.Schätzler und der Mitbegründer des Heimatmuseums W.Stockmann.

1927 konnte man in Dachau einen Hilfsgeistlichen einstellen; Vikar Ratz war der erste Seelsorger, der in der Pfarrwohnung über dem Betsaal in der Frühlingstraße wohnte.
Im Dachreiter, dem kleinen aufgesetzten Türmchen, hing die Gebetsglocke. Das Glockenseil führte durch alle Stockwerke hindurch bis zum Bett des Mesners, der -so die Überlieferung- ohne aufzustehen -im Bette liegend- die Glocken läuten konnte.

1941 wurde die Dachauer Gemeinde selbstständig und bekam mit Hermann Endres einen eigenen Pfarrer. Der war schon seit 1936 (aber von München aus) als Vikar für Dachau zuständig. 1941 war er nun als Pfarrer hier tätig. Doch schon ein Jahr später wurde Endres zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront geschickt. Er kam erst 1945 zurück. Während der Zeit der Abwesenheit oblag seiner Frau Elisabeth die Sorge für die Gemeinde. Sie übernahm auch die Aufgabe der "stillen Vermittlerin" zwischen der bayerischen Landeskirche und den Häftlingen im Konzentrationslager (Lebensmittelhilfe). Während der Nazizeit traten relativ viele Mitglieder aus der Kirche aus. 16)

Nach dem Krieg konnte der Betsaal in der Frühlingstraße mit seinen 120 Sitzplätzen die durch die Flüchtlinge schlagartig auf über 6000 Gläubige gewachsene Gemeinde nicht mehr fassen. Allein im Stadtgebiet Dachau lebten rd. 3000 Evangelische, das waren
17 % der Bevölkerung. Pfarrer Albrecht Köberlin, der von 1946 bis 1975 in Dachau wirkte, musste drei bis fünf Gottesdienste pro Sonntag halten. In Altomünster, Eschenried und Günding durfte er gastweise in die katholische Kirche, in Sulzemoos und Eisolzried stand ein Gutshof zur Verfügung und in Odelzhausen, Röhrmoos, Vierkirchen, Ampermoching, Pellheim, Indersdorf und Walkertshofen fanden die Gottesdienste in den Schulräumen statt. Köberlin beschreibt die Situation nach dem Krieg: "Die einzigen Verkehrsmittel für den Pfarrer waren zunächst die Bahn nach Altomünster und Ingolstadt und das Fahrrad. Gelegentlich gemietete Autos (Holzvergaser) blieben nicht selten unterwegs stecken, sodass die inzwischen heimgegangenen Gottesdienstbesucher wieder zurückgeholt werden mussten, wenn der Geistliche mit viel Verspätung endlich doch erschien." Der Gottesdienstbesuch und der Zusammenhalt der aus sehr unterschiedlichen Volksgruppen zusammengewürfelten Gemeinde war sehr gut. In Dachau fanden viele Veranstaltungen in der Wohnung des Pfarrers statt.

Eine Stiftung des Weltlutherbundes war der Start für eine eigene Kirche in Dachau; nun konnte die Friedenskirche gebaut werden.

Kirche von Westen

Am 7.Dezember 1952 wurde der Grundstein dafür gelegt. Dabei wurde zum ersten Mal der Name der Kirche bekanntgegeben. Zu dem feierlichen Akt waren der Kreisdekan Münchens, Oberkirchenrat Schabert, Dekan Heckel und eine Anzahl evangelischer Pfarrer sowie Vertreter des Landkreises und der Stadt gekommen. Unter Posaunenklängen und einem Lied wurde die Urkundenkassette in den unteren Teil des Turmes eingemauert. Beim anschließenden Gemeindenachmittag erzählte der Kulturreferent der Stadt Burkhard, dass sich der Kirchbauplatz auf der früheren Richtstätte Dachaus befinde. Der letzte Mörder, der vor 120 Jahren hier sein Leben lassen musste, soll jedoch als reueerfüllter Sünder gestorben sein.

Zur Einweihung am 25.Oktober 1953 wurde die Friedenskirche mit Blumen und Girlanden geschmückt; dies soll der Grund dafür gewesen sein, dass der Architekt der Einweihung fernblieb. Am Festtag versammelten sich Gäste und Gläubige zunächst im Betsaal an der Frühlingsstraße und feierten dort den letzten Gottesdienst. Dann führte der Festzug zur neuen Kirche: voran die Schuljugend, dann etwa sechzig evangelische Pfarrer im Talar. Den Vertretern der Landeskirche schloss sich die katholische Geistlichkeit an, darunter Pater Roth in seinem Ordenskleid der Dominikaner. An der neuen Kirche angekommen, wurden die Schüssel übergeben und der Gemeindepfarrer schloss die Türe auf.

Aus dem Erlös des verkauften Betsaals wurde das neue Pfarrhaus erbaut. Durch persönlichen Einsatz von Herrn Nicolaus, dem früheren Inhaber der ehem. Dachauer Papierfabrik, konnte ein Gemeindesaal errichtet werden. Seit Oktober 1963 verbindet dieser Bautrakt Kirche und Pfarrhaus.

Von 1976-1979 war unter Pfarrer Hofmann eine schwierige Phase innerer Konflikte zu überstehen, die erst sein Nachfolger Pfarrer Plesch überwinden konnte.

1985 übernahm Pfarrer Martin Stählin, 2001 Pfarrer Thomas Körner die Gemeinde.

Im Jahr 2003 hatte die Kirchengemeinde rd. 7200 Mitglieder, von denen 5000 in Dachau selbst wohnen. Schwerpunkt der Gemeindearbeit sind die jungen Familien. Sieben Eltern-Kind-Gruppen, ein Minikindergarten, ein Kinderpark, sechs Jugendgruppen und vier Kindergruppen und Veranstaltungen für Senioren stehen im Angebot. Das nächste große Projekt ist ein Jugendhaus.


Die Orgel der Friedenskirche
Die Orgelbauer zu ihrem Werk
Reinhard Frenger und Roland Eder

Der interessierte Besucher einer Kirche richtet seinen ersten Blick auf den Altar, seinen zweiten auf die Orgel, die zum Altar ein entsprechend würdiges Gegenstück sein soll.

Die neue Orgel der Friedenskirche ist ein sehr farbiges Instrument, mit klaren zeitgemäßen Formen, maßgeschneidert für den Raum, sowohl klanglich als auch optisch. Die Gestaltung des neuen Instruments war für uns vom ersten Augenblick an deutlich. Was den Standort anbelangt, gab es unterschiedliche Meinungen, jedoch nach kurzer Zeit eine Übereinstimmung. Das Ergebnis kann sich, wie wir meinen, sehen lassen.


Die neue Orgel von 1998

Die Prospektansicht, mit der wir eine künstlerisch wertvolle und dem Raum angepaßte Basis für ein gutes Instrument schufen, ist im klassischen Sinne angeordnet. Die Eigenständigkeit dieses zweimanualigen Werkes spiegelt sich in einer nicht alltäglichen Disposition wieder. Die Einsatzmöglichkeiten sind durch die schönen Begleitregister, die charakteristischen Einzelstimmen, den strahlenden Plenoklang und das kräftige Tutti mannigfaltig. Die Vielzahl der Pfeifenarten aus Metall und Holz in den unterschiedlichsten Größen von 15 mm bis 2,40 in haben alle nur ein Ziel: sie sollen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit zusammenwirken und Harmonie erzeugen. Klang und Technik bilden bei der Orgel eine Einheit.

So legen wir größten Wert auf gediegene Verarbeitung, qualitätvolle Materialauswahl und Präzision im Detail wie im gesamten Konzept. Alle Hölzer, die in 22 dem Instrument zur Verwendung kommen, sind ausschließlich aus heimischem Bestand, langjährig gelagert und sorgfältig ausgesucht. Jede Orgel aus unserer Werkstatt ist ein Unikat, geprägt vom handwerklichen Geschick und der Liebe der Mitarbeiter zum Instrument. Dies ist nur möglich in einem Betrieb, in dem alle an einem Strang ziehen.

An dieser Stelle möchten wir uns bei denen bedanken, die dieses Instrument ermöglicht haben, insbesondere bei der evangelischen Gemeinde der Friedenskirche Dachau, bei Herrn Nägele, als dem verantwortlichen Orgelsachverständigen, und selbstverständlich auch bei unserer Belegschaft. Nur wenn die Gemeinde als Auftraggeber, Pfarrer, Kirchenmusiker, Spender, Architekten, Behörden und Orgelbauer in Einklang stehen, sind sie in der Lage, gemeinsam ein Kunstwerk zu schaffen. In der Friedenskirche ist dies gelungen.

Reinhard Frenger und Roland Eder

Technische Daten:
2 Manuale, 20 Register, mechanische Schleiflade
Pfeifenanzahl: 1037 (Länge von 2,20 m bis 13 mm)

  Disposition der Frenger/Eder-Orgel von 1998: 23)
Hauptwerk (C-g'''): Prinzipal 8' Rohrflöte 8' Salicional 8' Oktave 4' Spitzflöte 4' Oktave 2' [2] Mixtur 3-4f 2'
Rückpositiv(C-g'''): Gedeckt 8' Flöte 4' Quinte 22/3' Prinzipal 2' Terz 13/5' Quinte 11/3' [1] Larigot 2f 11/3'
                          Krummhorn 8' Tremulant
Pedal (C-f'):          Subbass 16' Oktavbass 8' Gedecktbass 8' Choralbass 4' Trompete 8'
Koppeln:               II/I, I/P, II/P