Schrazllöcher
/Erdställe
=
ein von Menschen künstlich geschaffenes unterirdisches Gangsystem. Den
örtlichen Sagen werden sie auch als Heidenlöcher, Zwergerlloch,
Rätlesloch, Erdleitlloch, Alraunhöhle, Alrunenloch, Erdweiblschluf und
vieles mehr bezeichnet.
Erdställe
bestehen aus einer Vielzahl von Bauelementen: Enger Einstieg, Fallröhre,
niedrige Gänge bzw. Durchschlupfe, verschieden große Kammern,
Sitz- u. Lichtnischen, Verschlussvorrichtungen und geräumigere
Schlusskammern, die fast ausnahmslos mit ausgehauenen Sitz- oder Liegebänken
ausgestattet sind. Oft finden sich Rundgänge, sogenannte Spiralen.
In den meisten Erdställen kann man sich nur gebückt, auf
allen vieren oder am Bauch weiterbewegen. Durch vielfältige Kombination
dieser Bauteile entstanden unterschiedliche Gangsysteme; jeder Erdstall
ist für sich einmalig.
Die Erdställe wurden in der Zeit von 1000 bis 1200 nach Christus
angelegt. Dies hat man aus Keramikfragmenten, mit denen die Erdställe
zugeschüttet wurden und aus Datierungen von Holzkohleresten herausgefunden.
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Wozu
dienten die Erdställe?
Die größten Zweifel bestehen über den Verwendungszweck der Erdställe.
Im wesentlichen werden von den Forschern drei Theorien vertreten:
1. Zufluchtsanlage
und Versteck
In Kriegszeiten, bei Überfällen und Plünderungen (im Mittelalter sehr
häufig), bietet der Erdstall Zuflucht und Versteckmöglichkeit für die
Menschen und ihre wenigen Habseligkeiten.
2. Totenkultstätte
Schrazllöcher finden sich häufig in der Nähe von erhöht
liegenden Einzelgehöften, Kirchen heiligen Quellen. Deshalb werden
sie mit früheren religiösen Riten und Glaubensvorstellungen
in Zusammenhang gebracht. Im Mittelalter herrschte rege Siedlungstätigkeit.
Zogen die Menschen weiter mussten sie die Gräber ihrer Verstorbenen zurücklassen.
Sie fürchteten aber die Rache der Ahnen. Um die Toten gnädig zu stimmen
und um sie weiter verehren zu können, baute man am neuen Ort unterirdische
Behausungen (Leergräber) für die Seelen der Verstorbenen.
3. Kammer für die Seelen
der Verstorbenen
Ähnlich wie bei
Theorie Nr. 2 geht man davon aus, dass die Erdställe für die
Seelen der Verstorbenen errichtet wurden. Die Menschen des Mittelalters
seien davon überzeugt gewesen, dass die Seelen nach dem Tode -getrennt
nach Guten und Bösen- auf der Erde warten müssten, bis sie am
jüngsten Tag vor das göttliche Gericht gestellt werden. Deshalb
hätten viele Erdställe mehrere Räume, von denen nur einer
-der für die Guten- mit Wasser und Licht versorgt gewesen sei.
Für diese Theorie spricht, dass Erdställe i.d.R. aus einer Zeit
stammen, in der die Existenz des Fegefeuers unter Theologen und in den
Gemeinden noch nicht anerkannt war (= 13.Jh.).
Keine der Theorien gilt als wissenschaftlich
gesichert. Jeder seriöse Forscher muss diese Frage noch offen lassen
Im Landkreis Dachau sind
nach Angaben des Landesamts für Denkmalpflege 15 Schrazllöcher
sicher nachgewiesen so u. a. in Großinzemoos, Einsbach,
Pipinsried, Sigmertshausen, Schönbrunn, Guggenberg, Palsweis,
Haag, Schwabhausen, Arnbach, Riedhof bei Indersdorf und
Westerholzhausen.
Die größte Anlage dürfte der 1894 in Großinzemoos
(Gem.Röhrmoos) am Südhang des Kirchberges entdeckte Erdstall
sein.
Erdstallkataster Bayern
Derzeit werden die aufgefundenen Erdställe in Bayern systematisch
im Erdstallkataster erfasst.
Das Kataster ist noch im Aufbau; bisher (Stand 1.1.2025) enthält
es die Erdställe in Niederbayern (151 Funde), Oberpfalz (78), in
Mittelfranken (6) und Unterfranken (9). Infos über Erdställe
in Oberbayern, Schwaben und Oberfranken folgen.
Interessant ist aber in jedem Fall die Einleitungsseite des Erdstall-Katasters,
die Sie hier
erreichen können...
Hans
Schertl
Quellen:
Freisinger Nachrichten vom 5.2.2014

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